Kolo Moser Muffkette, Auktion 13. Juni 2016, Ergebnis € 198.200.-
Gustav Klimt und Emilie Flöge, ein schillerndes Paar der Wiener Gesellschaft des Fin de Siècle. Im Juli 1905 schenkt der Künstler seiner Vertrauten eine von Koloman Moser entworfene Muffkette, die demnächst im Dorotheum zur Auktion gelangt.
Wien um die Jahrhundertwende: Die Stadt bietet einen besonderen Nährboden für künstlerische und wissenschaftliche Glanzleistungen. Neue Theorien und Erkenntnisse werden entwickelt, neue Institutionen geschaffen. Protagonisten wie Sigmund Freud, Ludwig Wittgenstein, Ernst Mach, Otto Wagner, Arnold Schönberg, Arthur Schnitzler revolutionieren das Denken ihrer Zeit und nachfolgender Generationen. Im Bereich der bildenden Kunst steht Gustav Klimt an der Spitze jener jungen Künstlerbewegung, die sich von ihrer Vätergeneration lossagt und 1897 eine neue Künstlervereinigung gründet: die Secession. Ein Jahr später wird das Ausstellungsgebäude der Secession mit der berühmten goldenen Kuppel nach Entwürfen von Joseph Maria Olbrich erbaut. An der Fassade prangt der Leitspruch der Secessionisten: „Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit“.
In diesem Umfeld wird 1903 die Wiener Werkstätte von Josef Hoffmann und Koloman Moser mit der kaufmännischen Unterstützung des Bankiers Fritz Waerndorfer gegründet und ins Handelsregister eingetragen. Hohe Qualität, Entwürfe von höchstem künstlerischen Anspruch und handwerkliche Einzelfertigung sind ihre wichtigsten Merkmale. Stilistisch ist insbesondere die Anfangszeit der Wiener Werkstätte von klaren geometrischen Formen geprägt. Die Schmuckwerkstätte ist eine der Ersten, die noch im Jahr der Gründung die Produktion aufnimmt; bis zum Ende der Wiener Werkstätte in den 1930er-Jahren sollte Schmuck eine der bevorzugten Sparten bleiben. Koloman Moser und Josef Hoffmann sind in den ersten Jahren für die Entwürfe verantwortlich, ab 1905 kommen andere Künstler hinzu. Insbesondere Koloman Mosers Schmuckkreationen aus getriebenem, geprägtem, patiniertem Silber sind von zahlreichen Fotos bekannt, auf denen Emilie Flöge sie zu ihren Gesellschaftskleidern trägt.
Als Modeschöpferin und Unternehmerin sowie als Lebenspartnerin von Gustav Klimt steht Emilie Flöge in einem besonderen Naheverhältnis zur Wiener Werkstätte. In ihrer Biografie manifestiert sich der Aufbruch in die Moderne – sowohl in künstlerisch-ästhetischer als auch in lebenspraktisch-emanzipatorischer Hinsicht. 1874 als Tochter des
Meerschaumpfeifenfabrikanten Hermann Flöge in Wien geboren, erlernt sie das Schneiderhandwerk und eröffnet 1904 gemeinsam mit ihren beiden Schwestern den Modesalon „Schwestern Flöge“. Der Salon im „Casa Piccola“-Haus in der Mariahilfer Straße avanciert bald zum Treffpunkt der großbürgerlichen Gesellschaft; in den Hochzeiten des Betriebs sind bis zu 80 Näherinnen und drei Zuschneiderinnen beschäftigt. Für die Ausstattung zeichnen keine Geringeren als Josef Hoffmann und Koloman Moser verantwortlich, das Logo entstammt der Feder Gustav Klimts. Der Salon ist ganz im Stil der Wiener Werkstätte gestaltet und gilt als eines der frühesten Beispiele für ein Interieur im Sinne des Gesamtkunstwerkes. Auch was den Salon füllt, entspricht den revolutionären Ideen einer Gesellschaft im Umbruch. Die hier angebotenen Entwürfe liegen am Puls der Zeit – zweimal jährlich reist die umtriebige Unternehmerin in die Modemetropolen London und Paris, um sich über aktuelle Trends und Tendenzen zu informieren. Emilie Flöge setzt sich zudem für die Propagierung des Reformkleides ein, für das Gustav Klimt und Mitglieder der Wiener Werkstätte Entwürfe liefern. Die Mehrheit der Kundinnen wagt sich allerdings nicht so weit, sodass Flöge ihren Umsatz hauptsächlich mit konventionelleren Gewändern macht. Dass die Frau, die sich in der Mode für die Befreiung des weiblichen Körpers aus dem Korsett gesellschaftlicher Zwänge einsetzt, zeit ihres Lebens unverheiratet bleibt, ist wenig verwunderlich. Auch Flöges Beziehung zu Gustav Klimt entzieht sich allen bürgerlichen Normen.
Die beiden lernen einander vermutlich bei der Hochzeit ihrer Geschwister 1891 kennen. Von da an verbindet sie eine lebenslange Beziehung; welcher Art diese Beziehung tatsächlich ist – ob Freundschaft, Liebe oder Seelenverwandtschaft –, bleibt bis heute letztlich ungeklärt. Schon früh malt Klimt ein Porträt von Flöge, das der Abgebildeten jedoch missfällt und schließlich vom Niederösterreichischen Landesmuseum angekauft wird. Durch zahlreiche Fotos dokumentiert sind die legendären Sommeraufenthalte der beiden am Attersee. Dort entsteht auch die für die Zeit gänzlich untypische Fotoserie in der freien Natur, die 1907 in der Zeitschrift „Deutsche Kunst und Dekoration“ erscheint. Emilie Flöge ist darin mit Ketten und Broschen der Wiener Werkstätte zu den in ihrem Salon angebotenen Kleidern abgebildet. Flöge ist eine begeisterte Trägerin von Schmuck der Wiener Werkstätte. Sie bewirbt ihn nicht nur auf Fotos, sondern bietet ihn auch in ihrem Salon zum Verkauf an. Wie Elisabeth Schmuttermeier schreibt, kann sie sowohl als „Beschenkte und Sammlerin“ als auch als „Verkäuferin und Modell“ gelten. Zehn Schmuckstücke schenkt Gustav Klimt seiner Gefährtin nachweislich zwischen 1903 und 1906. Eines davon gelangt nun im Dorotheum zur Auktion. Es handelt sich um eine Muffkette nach einem Entwurf von Koloman Moser: Die 70 Zentimeter lange, zweireihige Halskette aus Silber wird durch geometrische und von Quadraten durchbrochene Elemente zusammengehalten und gegliedert. Sie ist nicht nur Beleg einer außergewöhnlichen Beziehung, sondern gleichzeitig Vermächtnis einer der einflussreichsten künstlerischen und gesellschaftlichen Bewegungen im Wien des beginnenden 20. Jahrhunderts.
(myART MAGAZINE Nr. 07/2016)
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