Moderne Heilige
1918 starb Kolo Moser. Im gleichen Jahr wie sein Kollege und Künstlerfreund Otto Wagner. Genau 100 Jahre später gelangen vier Entwurfszeichnungen Kolo Mosers für die Glasfenster der Kirche am Steinhof zur Auktion – Zeugen eines der bedeutendsten gemeinsamen Projekte der beiden großen Protagonisten der Wiener Moderne, die sich auch dem Kirchenbau verschrieben hatten.
Künstler vs. Klerus
Licht, Luft, Zweckdienlichkeit, Komfort – 1899 postulierte Otto Wagner in der Studie „Die Moderne im Kirchenbau“ seine Forderungen an den zeitgemäßen Kirchenbau. Die Kritiker reagierten empört, selbst die vorgeschlagenen Baumaterialen – Beton, Glas, dünner Marmor – wurden als gotteslästerlich abgetan. Nur für den Ausnahmefall – den Bau eines Gotteshauses für „Geisteskranke“ am Steinhof – schienen die Ansprüche des Architekten gerechtfertigt. 1904 wurde Wagners Entwurf für die Anstaltskirche St. Leopold zur Ausführung genehmigt. 1905 erfolgte der Spatenstich, und schon zwei Jahre später wurde der Bau zur Verwendung übergeben. Die kirchlichen Behörden verfolgten den Kirchenbau allemal mit großer Skepsis und vielen Einsprüchen:
„Was ich dabei ausstehe, davon kannst Du Dir keine Vorstellung machen.“, schrieb Otto Wagner 1905 in einem Brief an seinen Freund Kolo Moser.
Kolo Moser; St. Franz v. Sales, um 1905
Bleistift, Tinte, Gouache,
Deckweiß auf Japan-Papier
42 x 30 cm
Schätzwert € 4.000 – 7.000
Kolo Moser; Tobias, um 1905
Bleistift, Tinte, Gouache,
Deckweiß auf Japan-Papier
42 x 30 cm
Schätzwert € 4.000 – 7.000
Engel mit Kusshändchen
Otto Wagner hatte Kolo Moser zur Gestaltung von Fenstern und Altären des Kirchenraumes eingeladen. Das Glas der Fenster sollte die Helligkeit des Raumes und das Strahlen der Marmorwände unterstreichen. Ikonografisches Konzept der Fenster der Eingangswand und der Seiten: eine Darstellung des von Barmherzigkeit, Gebet und Opfer geleiteten Weges der Menschheit vom verlorenen irdischen bis zum himmlischen Paradies. Moser entschied sich bei der Umsetzung für eine reiche, dekorative Formensprache, für strenge Stilisierung und ornamentale Auflösung. Von den Fensterentwürfen gab sich der für die kirchliche Oberaufsicht des Bauprojekts verantwortliche Prälat noch sehr angetan: „Der Moser’sche Stil nun, ein spezifisch technischer, wird also für die Fenster entsprechen …“. Der Entwurf des Altarbildes stieß aber auf entrüstete Ablehnung: Die Darstellung erinnere mehr an eine Karikatur der religiösen Inhalte, die Engel sähen aus wie Kusshändchen werfende Damen mit koketten Blüten in a ektierten Modefrisuren. Dazu kam, dass Moser zum Unwillen der Geistlichkeit anlässlich seiner Heirat mit Editha Mautner Markhof zum Protestantismus konvertiert war. Der Dissens eskalierte, Moser wurde 1907 mit einem Honorar von 13.700 Kronen für die Fensterentwürfe abgefertigt und ihm der Auftrag für das Altarbild entzogen. „Also bitte! Lasse Deinen Traum von einem Einheitskunstwerk fahren“, schrieb Kolo Moser 1907 enttäuscht an Wagner. Die Kirche am Steinhof in Wien mit Wagners Architektur und Mosers Fenstern zählt heute dennoch zu den bedeutendsten Kirchenbauten der Moderne.
Kolo Moser; C.L. M. Hofbauer, um 1905
Bleistift, Tinte, Gouache,
Deckweiß auf Japan-Papier
42 x 30 cm
Schätzwert €4.000 – 7.000
Kolo Moser; St. Martin, um 1905
Bleistift, Tinte, Gouache,
Deckweiß auf Japan-Papier
35 x 10 cm
Schätzwert €4.000 – 7.000
AUKTION
Klassische Moderne
15. Mai 2018, 18 Uhr
Palais Dorotheum Wien
Information:
Elke Königseder, Expertin für Moderne und Zeitgenössische Kunst