Mit Georg Grosz und Lyonel Feininger ist Gil Bronner aufgewachsen. Sein Metier sind Immobilien, seine Leidenschaft gehört der Gegenwartskunst. Im Juni eröffnete das 1.700-Quadratmeter-Museum Sammlung Philara in Düsseldorf. Ein persönliches Gespräch über Freiheitsliebe, Intuition und über Ideen, wie man die Schnelligkeit aus dem Kunstgenuss herausnehmen kann.
Von Petra Schäpers
Gil, du bist in eine Sammlerfamilie geboren worden. Deine Eltern sind nach wie vor aktiv in der Kunstwelt unterwegs. Inspiriert wurdest du sicher durch dein Elternhaus, aber wie bist du zum Sammeln gekommen?
Gil Bronner: Im Prinzip – und das meine ich jetzt nicht als Witz – ist Sammeln eine Art genetischer Defekt, und der ist bei manchen Leuten stark ausgeprägt und bei manchen Leuten nicht so stark, die sind davongekommen. Meine Sammelleidenschaft ist kein batteriebetriebener Motor, sie ist langsam gewachsen. Es war damals vielleicht schwieriger als heute, als junger Mensch mit dem Sammeln zu beginnen. Damit meine ich, dass der Fokus eher auf die Klassische Moderne ausgerichtet war als auf die Zeitgenossen, die heute einen Großteil des Marktes ausmachen.
Auf dem Auktionsmarkt ist es ja genauso. Wie kaufst du Kunst? Was muss ein Kunstwerk haben, damit es dich anspringt? Kaufst du impulsiv oder eher kalkuliert?
Ich schaue mir die Auktionsmagazine an, gucke mir auch von diesem Amerikaner – Wie heißt der wieder? Stefan Simchowitz – die Tipps an, dann schätze ich ein, was auf dem Markt am meisten im Wert steigen wird, und das kaufe ich dann. Unabhängig davon, ob es mir gefällt. Nein, Quatsch! (Lacht.)
Jetzt im Ernst: Ich bin nach wie vor vollkommen impulsiv. Allerdings ist es tatsächlich so, dass ich eben sehr viel sehe. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass ich auch etwas im Auktionskatalog gesehen und da einen Namen zum ersten Mal gelesen habe, ist durchaus gegeben. Ich sehe natürlich auch, was andere Sammlerfreunde haben, hauptsächlich aber gehe ich in Galerien und auf Messen und kaufe dort. Ich war jetzt zum Beispiel in Turin auf der Messe und habe dort bei einer Galerie, von der ich vorher nichts gehört hatte, eine Arbeit von einem mir bis dahin unbekannten Künstler – Oscar Santillan – gekauft, weil mir das einfach gut gefallen hat. Ich habe aber auch Listen von Künstlern im Kopf, die ich gern noch in der Sammlung hätte.
Gibt es in eurer Sammlung einen roten Faden?
Der rote Faden ist einfach nur die Gegenwartskunst. Am Anfang habe ich natürlich vor allen Dingen Malerei gesammelt, in der Zwischenzeit kaufe ich eher Kunstwerke, die mich intellektuell reizen, wobei ich es blöd finde, wenn eine Arbeit erst erklärt werden muss. Wenn ein Galerist einer Arbeit eine suggerierte Intelligenz zuschreibt, die er dann erklärt und die im Grunde wenig Tiefe und Inhalt hat, sträuben sich bei mir die Nackenhaare. Ich finde, Intelligenz zeigt sich intuitiv. Man erkennt gute Kunst, sie spricht für sich. Und man entwickelt natürlich über die Zeit ein Empfinden für Qualitätsmerkmale.
Messe, Galerie, Auktion, Atelier, Rundgang: Wo kaufst du am meisten, am liebsten?
Ich kaufe am liebsten auf Messen, bei Galerien, auch Auktionen. Letzteres bedingt häufig leider, dass man die Kunstwerke nicht direkt zu Gesicht bekommt, sondern nur über die Kataloge. Deshalb kaufe ich am liebsten bei Galerien.
In eurer Sammlung sind viele Künstlerinnen vertreten. Besteht da eine besondere Affinität oder ist es Zufall?
Ich mag Frauen lieber als Männer.
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Ernsthaft, ich habe da noch nie differenziert. Nach meinem Dafürhalten ist das eine ziemlich anachronistische Sichtweise der Dinge, denn inzwischen haben Frauen eine gleichwertige Position in der Kunstwelt. Das Thema ist einfach durch. Mir ist es völlig egal, ob ein Werk von einem Mann oder einer Frau ist – es geht ja um die Arbeit an sich. Und ich würde auch nicht, nachdem ich drei Männerausstellungen gemacht habe, deswegen eine Ausstellung mit einer Künstlerin machen. Das ist totaler Quatsch, es geht um das Programm.
Kommen wir doch endlich zu eurem neuen Museum Sammlung Philara! 1.700 Quadartmeter Ausstellungsfläche in der Düsseldorfer Birkenstraße. Wie kam es zu der Idee, ein eigenes Museum zu bauen?
Da muss man weiter ausholen. Ich habe ein Atelierhaus an der Walzwerkstraße in Reisholz entwickelt, für mich relativ weit weg vom Zentrum. Zwei Jahre, nachdem ich angefangen hatte, an der Walzwerkstraße Ausstellungen zu machen, habe ich dieses Gelände auf der Birkenstraße gekauft, um zunächst den hinteren Teil der Halle als Ausstellungsfläche zu nutzen und im vorderen Bereich Wohnhäuser zu bauen. Und dann dachte ich irgendwann: totaler Schwachsinn. Wenn du es machst, dann mach es richtig, dann nimm das ganze Gebäude. Und so entwickelte sich die Idee. Am Anfang war ich noch unsicher, ob unsere Sammlung für die Ansprüche eines derart großen Hauses vielleicht nicht ausreichte. Inzwischen bin ich relativ zuversichtlich, dass wir in der Lage sein werden, interessante Ausstellungen aus der Sammlung zu zeigen.
Es wird also Wechselausstellungen und eine Dauerausstellung geben?
Ja, genau. Die erste Wechselausstellung wird Friedrich Kunath gewidmet sein.
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Wow. Super! Und danach?
Soll ich das jetzt schon verraten? Gregor Schneider, Absalon und Bruce Nauman. Für diese Ausstellungen werden die beiden Bereiche ständige Sammlung und Wechselausstellung wohl ineinander übergehen. Wir sind ja dynamisch! Das ist das Schöne an diesem Museum: Wenn man es selbst macht, ist man von allen Restriktionen und Normen befreit. Es gibt keine Instanz außer Feuerschutz – also brandpolizeiliche Vorschriften, die uns einengen.
Und du kannst dein eigenes Geld ausgeben, so viel, wie du Lust hast.
Ja, solange es reicht … Wir überlegen, Künstlerlesungen zu veranstalten, aber nicht über Kunst, sondern über etwas, was einen Künstler interessiert: sein Lieblingssänger oder sein Lieblingsfußballverein oder sein Hund oder was weiß ich, ein Cross over halt. Eine weitere Idee ist ein veritables Spoton: Man beschränkt das Licht auf ein einziges Kunstwerk, alle sitzen im Dunkeln an einem Tisch um das Kunstwerk herum oder in der Nähe des Kunstwerks, und man konzentriert sich zwei Stunden lang mit 15 Leuten nur auf dieses eine Kunstwerk und darauf, was einen daran bewegt. Denn wer konzentriert sich schon intensiv auf ein einziges Werk?
Du möchtest die Schnelligkeit rausnehmen?
Genau. Man ist gewohnt, schnell zu konsumieren, und dem ist auch der Kunstgenuss zum Opfer gefallen. Mir ist wichtig, dass das, was wir machen wollen, nicht festgelegt ist und wir jedes Programm sofort verändern können.
Ja, du musst nicht auf Gelder warten, zum Beispiel, und sie schon gar nicht beantragen.
Es wäre schön, wenn ich auf Gelder warten könnte, dann würde ich ja fremde Gelder bekommen. Mann! Was würde ich alles dafür geben, auf Gelder warten zu können!
Aber dann hättest du nicht diese Freiheiten!
Die Tatsache, dass wir frei von Einschränkungen sind, ist der Kerngedanke. Immer mehr Gesetze, die die Regierung erlässt, bedeuten Einschränkungen. Damit spreche ich bewusst dieses abstruse Kulturschutzgesetz in Deutschland an, demzufolge es – je nach Entscheidung der Länder – eine Ausfuhrgenehmigung für Kunstwerke gibt, die älter als 70 Jahre sind und deren Wert 300.000 Euro übersteigt. Nur wenige Werke seien davon betroffen, hat Kulturministerin Monika Grütters erklärt. Aber woher weiß ich, welche Arbeiten betroffen sein könnten und welche nicht? Deswegen habe ich Frau Grütters geschrieben und ihr vorgeschlagen, sie solle doch so eine Art Laissezpasser einrichten, damit man dies überprüfen kann. Das könnte dazu führen, dass viele qualitativ gute Arbeiten tatsächlich in Deutschland bleiben. Wenn jedoch Sammler nicht mehr frei über ihre Werke entscheiden können, werden die meisten dafür sorgen, dass ihr Besitz dem Zugriff des Staates entzogen wird. Das Resultat wäre das Gegenteil dessen, was geplant war, nämlich der Ausverkauf – und unter Umständen ein Aderlass für die Kultur in Deutschland.
Lieber Gil, ich danke dir für das Gespräch.
Petra Schäpers ist Expertin für Zeitgenössische Kunst sowie Leiterin der Dorotheum-Repräsentanz Düsseldorf.
(Dorotheum myART MAGAZINE Nr. 07/2016)
Philara – Sammlung zeitgenössischer Kunst
Birkenstraße 47
40233 Düsseldorf
www.philara.de