KOSTBARE MITGIFT
Als Teil der Mitgift waren Hochzeitstruhen, sogenannte cassoni, im Italien der Renaissance weit verbreitet. Von meisterlicher Hand gestaltet, sollten sie gesellschaftlichen Rang und Wohlstand aufzeigen.
Cassoni
Diese bemalte Holztafel bildete ursprünglich die Schauseite einer reich geschmückten Hochzeitstruhe, eines sogenannten cassone – eines beliebten dekorativen Möbelstücks im Italien der Renaissance. Derartige Truhen oder cassoni dienten der Aufbewahrung persönlichen Hab und Guts und waren häufig mit Malereien und Ornamenten in Form von Pastiglia-Auflagen verziert. Oft wurden sie einer Braut als Mitgift mit in die Ehe gegeben und stellten den sozialen Rang, den Wohlstand und die Kultiviertheit der sich durch die Heirat verbindenden Familien aus. Truhen dieser Art waren in Nord- und Mittelitalien, insbesondere in der Toskana, zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert weit verbreitet. Gestaltet wurden sie von Spezialisten, die auch andere Gegenstände herstellten, mit denen man wichtiger Anlässe gedachte.
Die vorliegende Tafel, die am 10. November 2020 im Dorotheum im Rahmen der Auktion Alte Meister zum Verkauf steht, befindet sich noch in der originalen Einfassung aus vergoldeten Silberleisten und kannelierten Lisenen. Auch die Pastiglia-Auflagen, die einst das Allianzwappen mit den heraldischen Symbolen der beiden Familien des Paares aufnahmen, für das der cassone bestimmt war, sind zu erkennen.
Die Geschichte von Kaiser Trajan und der Witwe
Die bemalte Tafel zeigt zwei Episoden aus der Geschichte von Kaiser Trajan und der Witwe, einem beliebten Thema des Mittelalters. Dank der Nacherzählung in der berühmten Legenda aurea findet sich das Thema auf mehreren bemalten Hochzeitstruhen des 15. Jahrhunderts. Der Legende nach tötete der Sohn des römischen Kaisers Trajan, als er mit seinem Heer zu einer Expedition in den Orient aufbrach, einen Mann, den er mit seinem Pferd niedertrampelte. Die Mutter des Mannes, eine Witwe, hielt den kaiserlichen Zug an und forderte für den erlittenen Verlust Wiedergutmachung. Das vorliegende Gemälde zeigt den zweiten Teil der Geschichte: Links ist der unterhalb einer Loggia auf einem Thron sitzende Kaiser dargestellt, wie er der vor ihm knienden Witwe Gerechtigkeit zuteilwerden lässt, während der Jüngling von Wachen festgehalten wird. Des Kaisers Urteil besagt, dass die Witwe seinem Sohn zur Frau gegeben wird und darüber hinaus zahlreiche Geschenke erhält. Rechts im Bild ist das frisch vermählte Paar auf dem Weg nach Hause dargestellt. Begleitet wird es ganz im Einklang mit der Tradition von einem Hochzeitszug, der die großzügige Mitgift mit sich führt, darunter güldenen Hausrat sowie bezeichnenderweise einen cassone.
Florentiner Schule des 15. Jahrhunderts
Höchstwahrscheinlich stammt die vorliegende Tafel von einer Hochzeitstruhe, zu der ursprünglich ein zweites Exemplar gehörte, auf dem die Geschichte ihre Fortsetzung fand. Das Bild entstand vermutlich um 1450 in Florenz und ist mit Sicherheit das Werk eines überaus versierten Künstlers, wofür die eleganten Figuren, die übersichtlich angelegte Komposition und die gekonnt umgesetzte Renaissancearchitektur sprechen. Zunächst glaubte man in dem Künstler die Hand des jüngeren Bruders Masaccios, bekannt unter dem Beinamen „Lo Scheggia“, zu erkennen, doch diese Zuschreibung wurde später bestritten. In jüngerer Zeit hat man den Florentiner Künstler Domenico di Michelino (1417–1491) als Schöpfer erwogen.
Das Werk gehörte im 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer bedeutenden Sammlung von Gemälden der Frührenaissance der Earls von Ashburnham, in der sich auch mehrere cassoni befanden.
AUKTION
Alte Meister, 10. November 2020
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien
alte.meister@dorotheum.at
Tel. +43-1-515 60-403