Franz von Defregger: Blick in die Stube

Vom Tiroler Bauernbub zum Münchner Malerfürsten: Franz Defreggers Werke sind Zeugnisse einer vergangenen Epoche. Sie stellen das bäuerliche Leben in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dar und lassen es hautnah miterleben.

Obwohl die zeichnerische Begabung des jungen Tiroler Bauernsohnes bereits früh erkannt wurde, war es Franz Defregger lange verwehrt, eine künstlerische Laufbahn einzuschlagen. Nach dem Tod seines Vaters musste er 23-jährig den väterlichen Hof in Stronach in Osttirol übernehmen. Doch der junge Mann war nicht für das Leben als Bergbauer geboren, und die äußeren Umstände plagten ihn so, dass er Gedanken an eine Auswanderung hegte. Schlussendlich entschloss er sich 1860, den Hof zu verkaufen und in Innsbruck eine künstlerische Ausbildung zu beginnen.

Franz von Defregger (1835–1921) Fröhliche Runde Öl auf Leinwand, 107 x 102 cm Schätzwert € 18.000 – 25.000

Schnell zog es ihn nach München und in weiterer Folge nach Paris. In der Kunstmetropole fanden seine Bildmotive nicht den gewünschten Anklang, und mangelnde Sprachkenntnisse führten wohl dazu, dass sein Aufenthalt in Paris von kürzerer Dauer war als ursprünglich geplant. Doch nutzte Defregger die Zeit in Paris, um eingehend Museen, Galerien und Kunstsammlungen sowie die zeitgenössischen Künstler zu studieren.

1865, nach zwei Jahren in der französischen Metropole, kehrte er nach München zurück und trat ein Jahr später in die Münchner Akademie ein, wo er später, von 1878 bis 1910, selbst die Professur für Historienmalerei innehaben sollte. Ende der 1860er-Jahre entdeckte das bürgerliche Publikum die Werke Defreggers für sich. In den folgenden Jahren wurde München zu seinem Wahlheimatort, sein Atelier im Neorenaissancestil avancierte zum gesellschaftlichen Treffpunkt und zeugte von dem enormen Erfolg, der dem Künstler zuteilwurde.

Ein Blick in das Münchner Atelier von Franz Defregger mit dem im Dorotheum angebotenen Gemälde
Ein Blick in das Münchner Atelier von Franz Defregger mit dem im Dorotheum angebotenen Gemälde

Die große Beliebtheit seiner Motive fußt wohl auch auf deren lebensechter Darstellung, für die der Künstler aus einem reichen persönlichen Erfahrungsschatz schöpfen konnte. Defreggers Typen wirken wie aus dem Leben gegriffen, authentisch und nicht gekünstelt. In dem in der Auktion für Gemälde des 19. Jahrhunderts am 23. Oktober angebotenen Werk „Fröhliche Runde“ etwa schauen die Protagonisten, drei Männer und zwei Frauen, offensiv in die Richtung des Betrachters. Das Bild wirkt modern und erinnert an eine fotografische Momentaufnahme, die das gesellige Miteinander im Wirtshaus zeigt. Als genauer Beobachter menschlichen Verhaltens versteht es Defregger hervorragend, die subtilen psychischen Stimmungsabläufe malerisch auszudrücken.

Franz von Defregger Der Urlauber, junger Soldat zu Besuch daheim, 1890 Öl auf Leinwand, 62,5 x 82,5 cm Schätzwert € 60.000 – 80.000

Da sich manche seiner Bilder enormer Beliebtheit erfreuten, verknappten sich in den späten 1880er- und 1890er-Jahren die Bildmotive Defreggers und er griff vermehrt auf bereits bestehend Themen zurück. Zu dieser Zeit zählten die Gemälde des mittlerweile zu den etablierten Münchner Malerfürsten zählenden Franz von Defregger zu den meistreproduzierten im deutschsprachigen Raum; der Verleger Franz Hanfstaengl erwarb die Reproduktionsrechte meist noch im Jahr der Fertigstellung seiner Ölgemälde oder kurz darauf. „Der Urlauber, junger Soldat zu Besuch daheim“ erschien im Kunstverlag Franz Hanfstaengl als „Wieder daheim“, wobei es sich wohl um den ursprünglichen, von Defregger vorgesehenen Bildtitel handelt. In gemütlicher Stube berichtet ein junger Soldat inmitten seiner Familie von seinen Erlebnissen. Defregger ging es um die Schilderung und Charakterisierung menschlicher Verhaltensweisen, und diese stellte er mit psychologischem Fingerspitzengefühl dar.

Sein Bildkosmos eröffnet den Betrachtern einen Sehnsuchtsort in der alpinen Bergwelt, in die sich das städtische Publikum nur zu gerne hineinträumt.

AUKTION

Gemälde des 19. Jahrhunderts, 23 Oktober 2024, 18 Uhr
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien

19.jahrhundert@dorotheum.at
Tel. +43-1-515 60-355, 765, 501

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