Gaspar van Wittel, genannt il Vanvitelli (1653–1736), Das Kolosseum und der Konstantinbogen, Rom, Öl auf Leinwand, 57,5 x 110 cm, Schätzwert € 250.000 – 300.000
Vedutenmalereien waren bei Sammlern des 18. Jahrhunderts höchst populär und sind bis heute sehr gefragt. Ausgewählte Darstellungen von Rom und Venedig zählen in diesem Herbst zu den Höhepunkten der Auktion Alte Meister.
Das Malen von detailgenauen Ansichten, Veduten, entwickelte sich in Italien als eigenständiges, florierendes Genre. Es erfreute sich im Laufe des 18. Jahrhunderts und darüber hinaus großer Beliebtheit. Im Gegensatz zu früheren Darstellungen von Stadtszenen, bei denen die Umgebung lediglich als Kulisse für Gemälde mit religiösen oder profanen Themen diente, wurde nun die Ansicht selbst, die Vedute, zum alleinigen Protagonisten.
Grand Tour
Das zunehmende Interesse an Veduten war nicht zuletzt eine Folge der Begeisterung für die Grand Tour. Junge englische und andere europäische Aristokraten reisten ins Ausland, vor allem nach Italien, um ihre Kenntnisse in Kunst, Architektur und Musik zu vervollständigen und gleichzeitig die Stätten der Antike, die Wiege der westlichen Zivilisation, zu besuchen. Die Kunstschätze der großen historischen und kulturellen Zentren Italiens, insbesondere Roms und Venedigs, wollte man nicht nur bewundern, sondern auch studieren, um die großen Vorbilder zu Hause nachzuahmen. Genaue topografische Reproduktionen von Denkmälern waren daher sehr begehrt, und Veduten der berühmten Sehenswürdigkeiten wie des Forum Romanum oder des Canale Grande dienten den Besuchern als Souvenirs und als Zeugnisse des Geschmacks und der Bildung ihrer Besitzer. Italienische Veduten wurden jedoch nicht nur von ausländischen Reisenden gesammelt, sondern auch vom italienischen Patriziat beauftragt.
Gaspare Vanvitelli
Einer der ersten bedeutenden Vedutenmaler, der bei römischen Mäzenen großes Ansehen genoss, war der in den Niederlanden geborene Gaspar van Wittel, besser bekannt als Gaspare Vanvitelli. Seine Vorliebe für Details und realistische Wiedergabe – die die nördliche Ausbildung des Künstlers verrät – kennzeichnen seine Darstellungen von Rom. Vanvitelli ersetzte in seinem Werk die üblichen Motive religiöser Stätten und antiker Ruinen zum ersten Mal durch Ansichten, die die Realität Roms im 18. Jahrhundert widerspiegeln. Sein unnachahmliches Gespür für das warme italienische Sonnenlicht verlieh diesen Szenen des täglichen Lebens Reiz und große Romantik.
Vanvitelli erreichte die von ihm geforderte Genauigkeit durch den Einsatz der sogenannten Camera Obscura, einer tragbaren Holzkiste, die durch Spiegel im Inneren das Bild der Landschaft vor ihr wiedergab. Auf diese Weise konnte der Künstler eine Skizze anfertigen, das projizierte Bild prüfen und dann das Werk in seinem Atelier vollenden. Dieses System in Verbindung mit einer perfekten Beherrschung der Perspektive machte die Darstellung von Ansichten präzise und realistisch.
Michele Marieschi
Im Gegensatz zum wissenschaftlichen Ansatz von Vanvitelli und später Canaletto entwickelte Michele Marieschi, der zu den faszinierendsten Künstlerpersönlichkeiten Venedigs gehörte, seinen eigenen einzigartigen Stil unabhängig von den großen Vedutisten-Werkstätten. Seine Ansichten sind theatralischer in der Komposition mit weiten Blickwinkeln, raschen, federleichten schnellen Pinselstrichen, stimmungsvollen Farben und schimmernden Lichteffekten.
Giuseppe Bernardino Bison
Die Nachfrage nach Ansichtsmalerei hielt bis ins 19. Jahrhundert und später an. Giuseppe Bernardino Bison war einer der letzten großen Vertreter der Vedutenmalerei. Er nutzte den neuen Markt für die Häuser der Wohlhabenden und schuf eine breite Palette von Ansichten, um dem immer anspruchsvolleren Geschmack der Sammler gerecht zu werden.
AUKTION
ALTE MEISTER
9. November 2022
Palais Dorotheum Wien