Aus altem europäischen Adelsbesitz: Diese vier Worte verzaubern Juwelenliebhaberinnen wie Kaiserhausinteressenten, sie verleihen an sich schon ungewöhnlichen Schmuckstücken den Nimbus des Außergewöhnlichen. Doch woher stammen sie? Zu welchen Anlässen wurden sie getragen? Verraten sie uns mehr über bestimmte historische Ereignisse oder Persönlichkeiten? Ein Gespräch mit der Juwelen-Expertin Astrid Fialka-Herics und dem Kaiserhaus-Experten Georg Ludwigstorff.
Welche Schmuckobjekte aus adeligem Besitz werden in den Auktionen des Dorotheum angeboten?
Georg Ludwigstorff: Einerseits sind es kleinere persönliche Schmuckstücke der kaiserlichen Familie, beispielsweise Manschettenknöpfe von Kaiser Franz Joseph I. oder eine Brosche, die Kaiserin Elisabeth ihrer Enkelin Erzherzogin Elisabeth geschenkt hat. Andererseits handelt es sich um offizielle Geschenke, die das Kaiserhaus bei Empfängen, Reisen und Ähnlichem vergeben hat: Uhren, Armbänder, Broschen – damals Busennadeln genannt –, Krawattennadeln etc. Sie sind meistens mit dem Monogramm des jeweiligen Herrschers versehen und je nach Stand und Rang des Beschenkten mehr oder weniger aufwendig gearbeitet.
Astrid Fialka-Herics: Im Angebot der Juwelenauktionen finden sich immer wieder außergewöhnliche Diademe, aber auch Corsagen („Devant-de-corsage“: eine Brosche, die man mittig „vor dem Mieder“ getragen hat), Ohrgehänge, Ringe und anderes von verschiedenen Adelsfamilien Europas. Es ist immer spannend herauszufinden, wer was zu welchem Anlass getragen oder in Auftrag gegeben hat.
Gibt es ein Adelshaus, das als besonders schmuckaffin galt, das für seine Geschenke berühmt war oder besonderen Wert auf Schmuck gelegt hat?
Georg Ludwigstorff: Für seine Geschenke berühmt war vor allem das Haus Romanow. Das geht auch aus den Aufzeichnungen der dortigen Hofjuweliere hervor. Die russischen Zaren vergaben enorme Mengen an Geschenken. Aber das haben eigentlich fast alle Herrscherhäuser gemacht, die Preußen ebenso wie die Bayern, die Dänen wie die Holländer …
Astrid Fialka-Herics: Wenn man über „Schmuckaffinität“ redet, muss man auch sagen, dass es in manchen Perioden überhaupt nur Aristokraten erlaubt war, echten Schmuck zu tragen: im 18. Jahrhundert in Frankreich zum Beispiel, oder auch in Österreich nach Metternich. Aus diesem Grund hat Georges Frédéric Strass Mitte des 18. Jahrhunderts auch eine Methode entwickelt, Edelsteinimitate herzustellen. Damit war der „Strass“-Schmuck geboren.
Georg Ludwigstorff: Im Mittelalter gab es verschiedene Kleiderordnungen, die besagten, wer was tragen durfte.
Astrid Fialka-Herics: Die größte Klientel der Goldschmiede war zu jener Zeit noch der Klerus, und vor allem waren Männer aufwendiger geschmückt als Frauen. Das hat sich erst in der Renaissance geändert, als auch Adelige und Großbürger wie Bankiers und mehr und mehr Damen Schmuck getragen haben. Im 19. Jahrhundert mit der Industrialisierung und dem wachsenden Reichtum des Bürgertums interessierte sich eine neue Schicht für hochwertige Juwelen.
Georg Ludwigstorff: Die Industriellenfamilien wollten natürlich auch prunken auf den Bällen …
Astrid Fialka-Herics: Und die Habsburger waren eher bescheiden, wie du gemeint hast.
Georg Ludwigstorff: Ja, vor allem die letzte Generation. Kaiserin Elisabeth hat sich nicht besonders für Schmuck interessiert, Kaiser Franz Joseph sowieso nicht. Aber Maria Theresia und Franz Stefan von Lothringen … die haben in der Barockzeit die Schmucksammlung des Hauses aufgebaut.
Wurden diese Schmuckstücke auch getragen oder nur ausgestellt und präsentiert?
Georg Ludwigstorff: Getragen wurden sie nur bei außergewöhnlichen Anlässen, Krönungszeremonien, Hochzeiten und Ähnlichem. Allerdings wurden sie relativ früh schon in der Schatzkammer ausgestellt. Man hat dem einfachen Volk gern gezeigt, was man hat.
Gab es auch so etwas wie eine Geschenkstelle am Hof, die sich um Präsente kümmerte?
Georg Ludwigstorff: Ja, und dabei wurde streng zwischen Objekten unterschieden, die der Kaiser aus seiner Privatschatulle bezahlt hat, und solchen, die auf Staatskosten erstanden wurden. Über das Oberstkämmereramt wurden die offiziellen Geschenke angeschafft und über den Allerhöchsten Privat- und Familienfond die privaten Geschenke bezahlt.
Astrid Fialka-Herics: Die Geschenke für die Frau Schratt zum Beispiel, etwa die Fuchsiabrosche …
Georg Ludwigstorff: … genau, die wurde aus der Privatschatulle bezahlt. Die Anschaffung der Staatsgeschenke hingegen erfolgte über das Oberstkämmereramt. Da gibt es Listen, die belegen, was und wie viel für welche Anlässe angeschafft wurde …
Was hat es mit der Fuchsiabrosche auf sich?
Astrid Fialka-Herics: Das war eine unserer spektakulärsten Einbringungen. Es handelte sich nämlich um ein Geschenk von Kaiser Franz Joseph I. an seine Geliebte, die Schauspielerin Katharina Schratt, gefertigt vom k. u. k. Hoflieferanten A. E. Köchert.
Georg Ludwigstorff: Die Firma Köchert hat viel für das Kaiserhaus gemacht. Es gab aber noch zahlreiche andere Hofjuweliere: die Firma Rothe, Halder, Rozet & Fischmeister … Wer das Schmuckstück gefertigt hat, sieht man oft auch an den Schatullen, die für die Sammler heute einen großen Wert haben.
Wurden weitere bedeutende Schmuckstücke der Habsburger in Dorotheum-Auktionen angeboten?
Astrid Fialka-Herics: Das Hochzeitsdiadem zum Beispiel, das Erzherzogin Marie Valerie ihrer Tochter Hedwig zur Vermählung am 24. April 1918 mit dem Grafen zu Stolberg-Stolberg schenkte. Oder ein besonders schönes Orientperlen-Diamant-Diadem mit passender Corsage, das ebenfalls von Marie Valerie in Auftrag gegeben wurde.
Was macht heute den Reiz solcher Schmuckstücke aus adeliger Provenienz aus? Wer interessiert sich dafür?
Astrid Fialka-Herics: Sowohl Sammler als auch Menschen, die den Glanz vergangener Epochen schätzen, interessieren sich dafür. Die Aura historischer Schmuckstücke wird bei Auktionen extrem honoriert. Das sehen wir in anderen Sparten auch.
Wird der Schmuck tatsächlich getragen?
Astrid Fialka-Herics: Ja, definitiv. Diademe etwa werden oft von Familien gekauft, deren Töchter vor der Hochzeit stehen. Oft ergänzt das neue Stück aber auch schon bestehende Sammlungen.
In den 1930er-Jahren gab es ja einmal einen wahren Tiara-Hype …
Astrid Fialka-Herics: Der besteht immer noch. Diademe sind nach wie vor heiß begehrt, unter anderem auch deshalb, weil sie oft verschiedene Tragemöglichkeiten bieten – so wie das wunderschöne Diadem aus der Jahrhundertwende, das demnächst zur Auktion gelangt, ein besonders zartes Stück, das als Diadem, aber auch als Collier oder Brosche getragen werden kann.
Astrid Fialka-Herics ist Leiterin der Abteilung Schmuck und Uhren im Dorotheum, Expertin für Juwelen, Juristin und gelernte Goldschmiedin. Georg Ludwigstorff ist Historiker, Kunsthistoriker und Experte für Kaiserhaus, Orden und Auszeichnungen sowie Silber im Dorotheum. Das Gespräch führte Theresa Pichler, sie arbeitet als Kulturwissenschaftlerin im Dorotheum.
AUKTION
Juwelen, 2. Juni, 13 Uhr
Saal-Auktion mit Live Bidding
Tel. +43-1-515 60-303
juwelenauktion@dorotheum.at