Edle Steine werden seit Menschengedenken gesammelt und daraus Juwelen gemacht. Sie sind Symbole für Macht, Reichtum und Status. Abhängig von ihrer strukturellen Beschaffenheit und Größe werden sie bearbeitet, um dadurch ihre spezifischen Qualitäten ins rechte Licht zu rücken und sie tragbar zu machen. Astrid Fialka-Herics, Juwelen-Expertin und Abteilungsleiterin für Schmuck und Uhren im Dorotheum, sprach mit Vera Hammer, Leiterin des Staatlichen Edelsteininstituts im Naturhistorischen Museum Wien.
Mag schon die durch die Härte edler Steine bedingte schwierige Bearbeitung eine besondere Herausforderung darstellen, so gilt das Schleifen als königliche Kunst, um die Farbe und den Charakter bestmöglich hervorzuholen. Denn im Falle von Steinen geht die größte Ausstrahlung von ihrer Farbe aus. Und kein anderer Stein weist eine höhere Farbenvielfalt auf als der Turmalin.
Der Turmalin
„Turmaline gehören zu den Silikat-Mineralen und haben eine relativ komplizierte chemische Formel. Dies macht möglich, dass verschiedenste Spurenelemente eingebaut werden können, was wiederum die unterschiedlichen Farben verursacht. Das Spannende daran: Es gibt Turmaline, die in einem einzigen Kristall mehrere Farben zeigen“, weiß die Leiterin des Staatlichen Edelsteininstituts im Naturhistorischen Museum Wien, Vera Hammer.
Der Rubellit
Treten Turmaline in rosa bis roter Farbvarietät auf, bezeichnet man sie als Rubellit. Auf den ersten Blick kommt es leicht zur Verwechslung mit gleichfarbigen anderen Gesteinen wie dem Rubin oder dem Spinell. So galt der „Rubin des Schwarzen Prinzen“, der seit der Krönung von Königin Victoria 1838 die „Imperial State Crown“ des Vereinigten Königreichs ziert, über Jahrzehnte bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts als der weltweit wertvollste und größte Rubin. Tatsächlich konnte er aber nach zahlreichen Untersuchungen zweifelsfrei der Gruppe der Spinelle zugeordnet werden.
Einer ähnlichen Verwechslung unterlag der vermeintliche Rubin in der Wenzelskrone, die heute im Veitsdom in Prag aufbewahrt und nur zu besonderen Anlässen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Der bedeutende rote Stein in der Mitte der Krone ist in Wirklichkeit ein Rubellit. Seiner historischen Bedeutung tut dies freilich ebenso wenig Abbruch wie seiner Strahlkraft.
Zur Unterscheidung der Steine und zu deren richtiger Zuordnung sind fachliche Kompetenz und aktuelles technisches Know-how zwingend erforderlich. Die Mineralogin Vera Hammer dazu: „Die chemische Zusammensetzung der Turmaline kann allerdings nur mit aufwendigen Methoden in Speziallabors wie etwa dem Staatlichen Edelsteininstitut im Naturhistorischen Museum Wien bestimmt werden.“
Der Paraíba
Eine relativ neue Variante ist der sogenannte Paraíba Turmalin, der durch sein intensives Türkis ins Auge sticht. Der 1989 von Heitor Dimas Barbosa entdeckte Stein verdankt seinen Namen jenem Bundesstaat in Brasilien, in dem er gefunden wurde. „Paraíba“ hat sich, wie Vera Hammer ausführt, als allgemeine Handelsbezeichnung durchgesetzt: „Als auch in anderen Gebieten wie Nigeria oder Mosambik ähnlich blaue Turmaline gefunden wurden, bürgerte sich der Handelsname ,Paraíba‘ leider auch schnell für blasse neonblau-grüne Turmaline ein. Nach Übereinkunft angesehener gemmologischer Labors sollte die Bezeichnung ,Paraíba Turmalin‘ heute hingegen nur noch für kräftige hellblaue und blaugrüne Farbtöne sowie einen bestimmten Kupfer- und Mangangehalt verwendet werden; die Herkunft spielt dabei keine Rolle mehr.“ Das intensiv leuchtende Türkis der Paraíba Turmaline kommt nicht nur bei facettiert, sondern auch bei in Cabochon (Muggelschliff) geschliffenen Steinen zum Vorschein.
Turmaline bei Bulgari oder Chopard
Obwohl Turmaline vereinzelt schon in der Antike im Mittelmeerraum bekannt waren, gelangten größere Mengen erst mit der Handelstätigkeit der Niederländischen Ostindien-Kompanie Anfang des 18. Jahrhunderts nach Europa. Seither erfreuen sich Turmaline großer Beliebtheit bei Schmuckdesignern und Goldschmieden. Bulgari verstand es als einer der ersten großen internationalen Juweliere ab den 1980er-Jahren perfekt, die Farbenvielfalt der Turmaline kunstvoll und oft auch mit zwinkerndem Auge zu verarbeiten: So finden sich Turmaline neben anderen Schmucksteinen in der Bulgari-Schmuckserie „Allegra“ ebenso wie in originellen Einzelstücken. Dass sich das Farbspiel auch in einem einzigen Schmuckstück vereinen lässt, hat Chopard mit seiner in den 1990er-Jahren auf den Markt gebrachten Collection „Casmir“ eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Avantgardistischer Schmuck
Doch auch avantgardistische Schmuckkünstler wie Friedrich Becker schätzten schon in den 1960er-Jahren die Qualitäten des Turmalins. Gerade hier steht der handelsübliche Wert des Steins deutlich hinter seiner farblichen oder geschliffenen Form: Das zur Schau gestellte Farbelement wird kontrastierend zu einer anderen Komplementärfarbe gesetzt und durch die Kinetik in Bewegung gehalten: Optisch wirkt es so, als würden die beiden Farben verschmelzen.
Die Nachfrage nach Turmalinen in Schmuckqualität – das heißt in kräftigen Farben und vor allem in transparenter Qualität – steigt. Das nennt man glänzende Karriereaussichten!
Astrid Fialka-Herics ist Leiterin der Abteilung Juwelen und Uhren, Expertin für Juwelen, Juristin und gelernte Goldschmiedin.
HR Dr. Vera Hammer ist Leiterin des Staatlichen Edelsteininstituts im Naturhistorischen Museum Wien.