Welttag des Jugendstils

Seit elf Jahren wird jeweils am 10. Juni mit zahlreichen Veranstaltungen international der Weltjugendstiltag gefeiert. Initiiert hat ihn das Budapester Museum für Kunstgewerbe (IMM) in Kooperation mit dem ungarischen Magazin „Szecesszió“.

Warum gerade der 10. Juni? An diesem Tag des Jahres 1914 starb der ungarische Jugendstilarchitekt Ödön Lechner und 1926 Antoni Gaudí, der Protagonist des katalanischen „Modernisme“. Auch für den österreichischen Jugendstil hat dieses Datum eine besondere Bedeutung: Just am 10. Juni des Jahres 1903 entschied sich in der dritten Jurysitzung das Wettbewerbsverfahren zum Bau der Wiener Postsparkasse: Otto Wagners Entwurf wurde unter den eingereichten 37 Beiträgen in einem nicht anonymen Verfahren als Siegerprojekt ausgewählt. Im augenscheinlichen Kontrast zu Wagners Postsparkasse, die in klar funktionalem, vom Material dominierten Stil gehalten ist, steht die ein Jahr zuvor vollendete Königliche Postsparkasse von Ödön Lechner in Budapest. Lechner, auch als „Gaudí des Ostens“ bezeichnet, verstand es, organische und farbenfrohe Ornamente der ungarischen Volkskunst mit Jugendstil zu kombinieren. Die so unterschiedlichen Postsparkassengebäude sind Beweis für die große Bandbreite des Stils der Jahrhundertwende, der eine europaweite Bewegung war.

Otto Prutscher, Kelchglas, Entwurf um 1907, Schätzwert € 3.000 – 5.000
Otto Prutscher, Kelchglas, Entwurf um 1907, Schätzwert € 3.000 – 5.000
Koloman Moser, Hohe Silbervase, Wiener Werkstätte, 1905, Silber, H 43,3 cm, Schätzwert € 25.000 – 40.000
Koloman Moser, Hohe Silbervase, Wiener Werkstätte, 1905, Silber, H 43,3 cm, Schätzwert € 25.000 – 40.000

Wagners Auffassung von Bauschmuck und Funktionalität ging über den Jugendstil und auch über die Ideen der Wiener Secession weit hinaus: Die Schönheit des Materials sollte für sich allein sprechen. Kann etwas – und damit war er in der Moderne angelangt – schön sein, was nicht praktisch ist? Wagner ging es darum, Schönheit zu retten, aber nicht in einer abgeklärten Nische, sondern als Bestandteil des Alltags. Die 1903 gegründete Wiener Werkstätte war auch eine „kunstgewerbliche Moderne“. Ausgehend von der Tatsache, dass die künstlerisch tätigen Gründer Josef Hoffmann und Koloman Moser sowie Mitstreiter wie Carl Otto Czeschka, Otto Prutscher oder Dagobert Peche beabsichtigten, dem Modernen, handwerklich Perfekten und zudem Zweckmäßigen zum Durchbruch zu verhelfen, ermöglichten sie es, „Moderne“ als Gesamtkunstwerk zu leben.

Josef Hoffmann, große Jardiniere und zwei Blumenvasen aus Silber, Wiener Werkstätte, vor 1905, Schätzwert € 100.000 – 150.000
Josef Hoffmann, große Jardiniere und zwei Blumenvasen aus Silber, Wiener Werkstätte, vor 1905, Schätzwert € 100.000 – 150.000
Josef Hoffmann, komplettes fünfteiliges Kaffeeservice, Modellnummern: S 5251, S 5252, S 5253, S 5254 und S 5255, Wiener Werkstätte, um 1920, Schätzwert € 25.000 –40.000
Josef Hoffmann, komplettes fünfteiliges Kaffeeservice, Modellnummern: S 5251, S 5252, S 5253, S 5254 und S 5255, Wiener Werkstätte, um 1920, Schätzwert € 25.000 –40.000

Wenn wir am 10. Juni den Welttag des Jugendstils begehen, dann wollen wir die Anregung von Berta Zuckerkandl, der Grand Dame des Wiener Fin de Siècle und großen Förderin von Josef Hoffmann, nicht vergessen, die die Kunstschaffenden ihrer Zeit bewegte und zugleich einen bemerkenswerten Impuls für unsere Zeit bedeutet. Sie schreibt in einem frühen Aufsatz über Kunstgewerbe: „Es wäre nur zu wünschen, dass der Kunstgegenstand aufhört, nur Schaustück zu sein – dass der Gebrauchsgegenstand anfängt, künstlerischen Wert zu haben. Mögen nun die Künstler noch diesen Schritt nach vorwärts machen.“

AUKTION

Jugendstil & Angewandte Kunst des 20. Jahrhunderts

Online Auktion
6. Juni 2024, 14 Uhr
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien

magda.pfabigan@dorotheum.at
Tel. +43-1-515 60-383

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