Werner Berg: Geheimnis der Form

In der Abgelegenheit der Kärntner Provinz schuf er Gemälde von internationaler Bedeutung: Werner Berg – Jurist, Bauer, Maler. Im direkten Gegenüber von Mensch und Landschaft erschloss sich dem Künstler die große Form, in der das Gegenständliche wie das Geistige zum Ausdruck kommt.

Kunst und Leben

Kärnten 1930: Das junge Ehepaar Werner und Amalie Berg erwirbt einen abgelegenen Bergbauernhof in Unterkärnten, den Rutarhof, unweit der erst 1918 gezogenen Grenze zum neuen Königreich Jugoslawien; heute zu Slowenien. Beide sind promovierte Juristen, kaum erfahren in der landwirtschaftlichen Praxis, er seit kurzem Maler. Was sie suchen, ist nichts weniger als ein ursprüngliches Leben, frei von Romantik und frei von gesellschaftlichen Konven­tionen wie Normen. Mit der notwendigen Naivität, eisernem Willen und bemerkenswerter Konsequenz beginnt Werner Berg 1931 mit Unterstützung seiner Frau das Experiment Kunst und tätiges Leben in und mit der Natur für die nächsten 50 Jahre umzusetzen.  

Ihre Karriere hätte ganz anders verlaufen können. Werner Berg wurde 1904 in Elberfeld, heute ein Stadtteil von Wuppertal, geboren und begann aus Vernunft und Notwendigkeit nach dem Krieg ein Jusstudium in Bonn und Köln. Mit 26 Jahren war er bereits promoviert und erhielt eine Assistenzstelle in Wien, wo er nicht nur seine spätere Frau Amalie Kuster, genannt Meiki, aus einer Wiener Milchbauernfamilie kennenlernte, sondern auch die Liebe zur Kunst neu entdeckte. Er wurde Maler.

Der Rutarhof

Werner Berg, Der Rutarhof im Februar, 1956, erzielter Preis € 67.400
Werner Berg, Der Rutarhof im Februar, 1956, erzielter Preis € 67.400

Akademische Theorie und Drill waren aber nicht das Seine, vielmehr spürte er den Drang, authentisch zu leben, aus dem Ursprünglichen des Arbeitens und Lebens seine künstlerische Inspiration und Kraft zu schöpfen. Einen Ort dafür fand er im Rutarhof in Südkärnten. Recht früh baute er sich ein Atelier über einem Schafstall aus, wohin er sich nach getaner Feldarbeit zurückzog, um seinen vielfältigen Eindrücken und Gedanken Form zu verleihen. Denn neben der wunderbaren Natur und dem herrlichen Ausblick vom Hof aufs Tal übte die besondere, geradezu archaische Kultur dieses Grenzgebietes zwischen Österreich und Slowenien eine nie endende Faszination auf den Maler aus. Allein auf den Märkten, an den religiösen Festtagen oder bei den verschiedenen Begegnungen im Alltag bot sich dem Künstler „eine Fülle von Anblicken, in denen man mühelos hinter Anekdote und Folklore große Form, zeitlose Begebenheit und bildträchtiges Geheimnis entdecken kann“ (Werner Berg, 1984, S. 32). 

Die verlorene Generation

Als Künstler gehörte Werner Berg jener „verlorenen“ Generation an, die ihren beruflichen Weg auf den Trümmern des Ersten Weltkrieges hatte aufbauen müssen. Statt sich den Ausschweifungen und der Dekadenz des urbanen Lebens hinzugeben, wählte Werner Berg in dieser orientierungslosen Zeit bewusst den Weg in die Einsamkeit, um seinem künstlerischen Schaffen eine Verankerung, eine Tiefe zu geben, die es aus der Zeit heraushoben und ihm grundlegende Gültigkeit verliehen. Wie Wilhelm Leibl im oberbayrischen Bad Aibling oder auch Paul Gauguin, der Jahrzehnte zuvor in der Bretagne und auf Tahiti auf der Suche nach einem ursprünglichen Leben gewesen war, entschied sich Werner Berg – noch radikaler –, die Kunst mit dem Alltag als Bauer zu vereinen. 

Werner Berg, Wartende, 1973, erzielter Preis € 219.900
Werner Berg, Wartende, 1973, erzielter Preis € 219.900

In den 1930er-Jahren schien sich das Konzept von Arbeit, Familie und Kunst vielversprechend zu entwickeln. Berg hatte Ausstellungen in Berlin, Hamburg, Bochum und Köln, erhielt Preise, gewann Sammler für sich. 1937 wurde seine Kunst, die im deutschen Expressionismus bei Munch, Nolde, Kirchner wurzelt, mit denen er auch im Austausch stand, aber für „entartet“ erklärt, seine Bilder wurden zu einem großen Teil zerstört. Bis zum Kriegsdienst 1941 zog sich Werner Berg ganz auf den Rutarhof zurück, dann stand er bis Kriegsende an der Eismeerfront im Einsatz und geriet in Gefangenschaft, wo ein eigenes Werk entstand. Nach seiner Rückkehr setzte er mit unerschöpflicher Kraft seine Arbeit als Bauer wie als Künstler fort, nahm Kontakte zu Galerien auf, beteiligte sich an der Biennale in Venedig und lernte 1950 die Dichterin Christine Lavant kennen. Die folgende Beziehung, die heftige Gefühlsausbrüche begleiteten, führte zu einem psychischen Zusammenbruch Bergs und in der Folge zu einem intensiven letzten Werkabschnitt. Die Farben gewannen noch weiter an Intensität und wurden so zu vielschichtig interpretierbaren Ausdrucksträgern. 

Form und Farbe

Werner Berg (1904–1981), Sommerabend im Dorf, Öl auf Leinwand, 76 x 96 cm, Schätzwert € 140.000 – 180.000
Werner Berg (1904–1981), Sommerabend
im Dorf, Öl auf Leinwand, 76 x 96 cm, Schätzwert € 140.000 – 180.000

Neben der Farbe ist vor allem das Ausloten von Fläche und Form für Werner Bergs Bilder wesentlich. Im Weglassen jeder aktiven Handlung rückt der „Seinszustand“ in den Vordergrund. Das Innehalten verleiht den Figuren Würde und dem Wesen „Mensch“
seine ihm zeitlos gültige Bedeutung und Sinn. Zeit ist überhaupt ein zentrales Element seiner Malerei. Sie bedeutet bei Werner Berg das Verewigen des kostbaren Moments einer Kultur, die ihm Heimat geworden war. Eine große, stimmungsgeladene Ruhe geht von seinen Bildern aus, alles Exaltierte, Laute, Überladene wird in einem sanften, aber zwingenden Rhythmus von Linien, Formen und Farben eingefangen. Das zeigt sich besonders in den Bildern ohne Figuren, wie im „Sommerabend in einem Dorf“, wo die feste Verzahnung von kubischen Formen und diagonalen Linien mit den leuchtenden Farbfeldern Fragen von Zeit, Ort, Abstraktion und Gegenstand in faszinierender Weise zum Thema macht.

Zwischen 1921 und 1981, seinem Todesjahr, arbeitete der Künstler parallel zur Malerei immer an Holzschnitten und reihte sich auch in dieser Hinsicht in die Tradition der deutschen Expressionisten ein. 

Künstlerisches Erbe

1968 wurde am Bleiburger Hauptplatz die Werner-Berg-Galerie gegründet, 1972 erfolgte nach Umbauten und der vom Künstler getroffenen Auswahl die Eröffnung. Berg war kein Unbekannter mehr, Ausstellungen in ganz Europa, aber auch in Ägypten und im Libanon sowie Publikationen wie der Werkkatalog von Kristian Sotriffer befriedigten, erforderten aber auch viel Kraft. In seinem Enkel Harald Scheicher fand der Maler seinen engsten Vertrauten und Verwalter wie Bewahrer seines Werkes. Er betreut bis heute den künstlerischen Nachlass Werner Bergs und ist Leiter des Werner Berg Museums.

Seit vielen Jahren sind Werke von Werner Berg im Dorotheum präsent und erzielen Rekordpreise. Im internationalen Kontext der Auktionen werden die Qualität und die kunsthistorische Bedeutung des Künstlers immer wieder eindrucksvoll erkennbar.

Literatur: Harald Scheicher (Hg.): Werner Berg. Seine Kunst, sein Leben. Klagenfurt 1984

AUKTION

Moderne, 31. Mai, 17 Uhr
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien

20c.paintings@dorotheum.at
Tel. +43-1-515 60-358, 386

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