Blütenpracht

Pauline von Koudelka-Schmerling Großes Blumenstück in einer griechischen Vase mit Öllampe, 1836 Öl auf Holz, 68 x 54,5 cm

Der Zufall will es, dass im Dorotheum im Mai 2022 mehr als ein Dutzend Blumenbilder zur Auktion kommt. Sie zeigen, welche Veränderungen die Malerei im 19. Jahrhundert durchlief. Ist denn Blumenmalerei nicht ein künstlerisches Metier wie Landschaft oder Porträt? Nicht ganz …

Pauline von Koudelka-Schmerling Großes Blumenstück
Pauline von Koudelka-Schmerling
Großes Blumenstück in einer griechischen Vase mit Öllampe, 1836
Öl auf Holz, 68 x 54,5 cm
Schätzwert € 40.000 – 50.000, Auktion Antiquitäten 5. Mai 2022

Blumen spielen in viele Bereiche des Lebens hinein, sei es ins tägliche Leben, sei es, um besondere Ereignisse zu überhöhen. Sie können erfreuen oder gar faszinieren, und dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Schneeglöckchen oder prächtige Dahlien handelt. Dieses persönliche Empfinden wird von der Blumenmalerei bedient. Im Lauf der Zeit wandelte sich die Wahrnehmung von Blumen mit Art und Maß der Erkenntnis. Dies schlug sich in der Form ihrer Wiedergabe nieder, etwa wenn die Heilkraft von Gewächsen im Mittelpunkt stand, die Symbolik gewisser Blumen in der religiösen Ikonografie, oder wenn exotische Pflanzen ab Beginn der großen Entdeckungsreisen Faszination ausübten.

Die Jahre um 1600 markieren eine bemerkenswerte Wende zum künstlerisch autonomen Blumenbild. Sie vollzog sich in den Niederlanden, in erster Linie zunächst im Werk eines herausragenden Künstlers. Jan Brueghel der Ältere, der „Blumenbrueghel“ (1568–1625), malte in Antwerpen reichhaltige Blumenbouquets. Er unternahm seine Naturstudien, indem er den zu verschiedenen Zeiten blühenden Modellen nachreiste. Naturnähe und Fantasie

Georgius Johannes Jacobus van Os
Georgius Johannes Jacobus van Os
Stillleben mit Weintrauben, Kastanien, Orangen und Kamelienzweig, 1834
Öl auf Leinwand, 41,5 x 32,5 cm
Schätzwert € 20.000 – 25.000

vereinigten sich im Bild. Mit unserem Gefühl für Schönheit hat das noch nichts zu tun, jede einzelne Blüte galt als Teil der göttlichen Schöpfung. Die Wirkung dieser ersten großen Blumenbilder war zunächst in den Niederlanden enorm, wie die Werke von Jan van Huysum (1682–1749), Rachel Ruysch (1664–1750), Abraham Mignon (1640–1679) und vielen anderen beweisen. Im Zeitalter der Aufklärung änderte sich die Sicht auf Pflanzen unter dem Einfluss der wissenschaftlichen Botanik. Die Freude an der Schönheit der Blumen blieb aber bestehen.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts setzte in Wien ein bewusst historistisches Streben nach Wiederbelebung der alten niederländischen Blumenmalerei ein. Unterstützt wurde diese Entwicklung von der Kaiserlichen Porzellanmanufaktur, nicht zuletzt von einer regelrechten Gartenmanie, die um 1800 einen guten Teil der Wiener Gesellschaft, Mitglieder des Kaiserhauses inbegriffen, erfasste. Das Blumenbild erlebte in Wien sowohl künstlerisch als auch wirtschaftlich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen Höhenflug. Für den furiosen Auftakt in Wien sorgte Johann Baptist Drechsler (1756–1811), gleichermaßen als Maler wie auch als Lehrer. Dabei spielte die Porzellanmanufaktur eine große Rolle; man benötigte ja hervorragende Kräfte zur Dekoration der verschiedensten Produkte. Daneben aber emanzipierte sich die Blumenmalerei als eigenständige Sparte der Kunst, und Drechsler selbst hatte daran großen Anteil. Eine Reihe von Spezialisten auf diesem Gebiet konnte sich erfolgreich etablieren. Einer der talentiertesten Schüler

Josef Nigg
Josef Nigg
Großes repräsentatives Porzellan-Bild mit reicher Blumen- und Früchtemalerei, 1839
Porzellan-Platte 67 x 50 cm, goldener Holzrahmen 83,5 x 67,5 cm, Wien, Kaiserliche Manufaktur
Schätzwert € 70.000 – 90.000

Drechslers war Josef Nigg (1782–1863), Schöpfer von außergewöhnlichen Porzellantafeln, deren unnachahmlicher Farbenreichtum zu den kostbarsten Meisterleistungen des Wiener Biedermeier zählt. In ihrer künstlerischen und technischen Raffinesse sind sie unübertroffen, und bereits zu ihrer Zeit waren solche Stücke bewunderte Muster in Europa, zum Beispiel in der Manufaktur in Sèvres. Dort arbeitete Georgius Jacobus Johannes van Os (1782–1861), der Maler eines im Licht schimmernden Stilllebens auf Leinwand in dieser Auktion. Pauline Koudelka-Schmerling (1806–1840) nahm sich wie Nigg und andere Wiener Blumenmaler das Kompositionsschema der alten Niederländer zum Vorbild, überhöhte es aber mit der ihr eigenen Delikatesse der Farbigkeit. Josef Lauers (1818–1881) kleines Bild mit einem Arrangement alpiner Blumen erinnert an eine modische Richtung, die der Sehnsucht der Stadtmenschen nach den Bergen Ausdruck verlieh. Schließlich: Typisch für die Malerei des Biedermeier ist ein vorherrschender Dualismus von Naturanschauung und Fantasie, von Realität und Ideal.

Olga Wisinger-Florian
Olga Wisinger-Florian (1844–1926)
Mohnblumen in Vase
Öl auf Karton, 50 x 50 cm
Schätzwert € 20.000 – 25.000

Noch einmal spielte der Zufall Regie, denn am Ende der chronologischen Folge im Konvolut von Blumenbildern der Dorotheum-Auktion steht ein Werk von Olga Wisinger-Florian (1844–1926). Wie radikal neu ist der einfache Blumenstrauß komponiert und gemalt! Es zeigt sich, dass die Sicht auf die Umwelt eine völlig andere geworden ist, dass Empfindung und Stimmung eine tragende Rolle spielen. Eine andere Art von Dualismus hat sich Bahn gebrochen – Naturanschauung und Emotion. Das schöne Wort „Stimmungsimpressionismus“ ist in Wien für Bilder dieser Art geprägt worden, und Wisinger-Florian steht diesbezüglich in der ersten Reihe. Dahinter stecken natürlich der französische Impressionismus und dessen Vorboten, über die man bestens informiert war. Hinzu kommen die Individualität der Malerin, ihr Mut zur Farbe, zu kühnen Farbkompositionen. Sie sieht erst die Farbe, danach die Blumen. Dieser kleine Strauß lässt an Wisingers „Blumenlandschaften“ denken und daran, dass sie ihres Mutes zur Farbe wegen liebevoll „Meisterin des Herbstes“ genannt wurde.

 

Zu den Autoren:

Gerbert Frodl und Marianne Frodl-Schneemann sind Experten für die Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts und haben diverse einschlägige Monografien verfasst. Gerbert Frodl ist seit 1969 in der Österreichischen Galerie Belvedere tätig, von 1992 bis 2006 war er deren Direktor.

 

Buchtipp:
Gerbert Frodl, Marianne Frodl-Schneemann: Die Blumenmalerei in Wien. Böhlau Verlag 2010

AUKTION

Gemälde des 19. Jahrhunderts, 10. Mai 2022, 16 Uhr
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien

19.jahrhundert@dorotheum.at
Tel. +43-1-515 60-355, 377

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