Flair des Orients: Osman Hamdi Bey, Fausto Zonaro, Rudolf Ernst

Osman Hamdi Bey (1842–1910), Ein Blick in den Spiegel, Öl auf Leinwand auf Holz, 68 x 45 cm, Schätzwert € 1.000.000 – 1.400.000

Europäer am Bosporus und osmanische Gelehrte in Mitteleuropa: Die Reisebewegungen und künstlerischen Wechselbeziehungen des 19. Jahrhunderts führten zu einer Blütezeit in der Darstellung orientalischer Motive – wie die Gemälde von Osman Hamdi Bey, Fausto Zonaro oder Rudolf Ernst aus der kommenden Auktion Gemälde des 19. Jahrhunderts beweisen.

Im Lauf des 19. Jahrhunderts verspürten immer mehr Künstler die Sehnsucht nach der Ferne. Zu ihnen gehörte der junge Osman Hamdi Bey, der in Paris die Atmosphäre der Pariser Bohème und sein Talent für die Malerei entdeckte. Er war der erste türkische Maler, der sich vollkommen dem westlichen Malstil verschrieb und seine künstlerische Ausbildung bei den berühmten französischen Orientalisten Jean-Léon Gérôme und Gustave Boulanger absolvierte.

Osman Hamdi Bey (1842–1910), Ein Blick in den Spiegel, Öl auf Leinwand auf Holz, 68 x 45 cm, Schätzwert € 1.000.000 – 1.400.000
Osman Hamdi Bey (1842–1910), Ein Blick in den Spiegel, Öl auf Leinwand auf Holz, 68 x 45 cm, Schätzwert € 1.000.000 – 1.400.000

In dem Werk „Ein Blick in den Spiegel“, das in der Auktion für Gemälde des 19. Jahrhunderts am 2. Mai 2023 angeboten wird, verschmelzen traditionelle türkische Werte und die westlich-akademische Malerei zu einem meisterhaften Beispiel für die Herangehensweise des Künstlers. Es zeigt eine junge Dame in intimer Atmosphäre inmitten reich ausgestatteten Interieurs. Der Maler spielt mit dem Kontrast, der sich zwischen der dreidimensionalen Figur und den eher zweidimensionalen, reich ornamentierten Hintergründen und Versatzstücken entwickelt. Das Bild wirkt nicht inszeniert, sondern vermittelt eine ungezwungene Bescheidenheit und gibt einen wahrhaftigen Einblick in das tatsächliche Leben. Es ist ein intimer Blick auf eine junge Frau im Harem, die sich im Spiegel betrachtet, während sie sich zum Ausgehen anzieht. Sie scheint aus privilegierten Verhältnissen zu stammen und trägt ein gelb-ockerfarbenes Kleid – ein Beispiel für Hamdis Interesse, die Mode seiner Zeit einzufangen. Dieser Aspekt ist in allen Werken von Osman Hamdi Bey erkennbar, da er seine Gemälde nicht als Außenstehender einer fremden Kultur inszeniert, sondern seine eigene verbildlicht – ein Aspekt, den der Künstler den meisten seiner Zeitgenossen voraushatte. Nach neun Jahren in Paris kehrte Hamdi Bey 1869 in seine Heimat Istanbul zurück. Dort leistete er Pionierarbeit bei der Bewahrung antiken Kulturguts und begründete eine eigenständige Malschule. Auf dieser Akademie der Schönen Künste unterrichtete später auch Fausto Zonaro, ein Italiener, der von Sultan Abdülhamid II. (reg. 1876–1909) zum Hofmaler ernannt wurde. Wohl kaum ein anderer hat mehr Bilder von einer Stadt gemalt als Zonaro von Konstantinopel. Bei seiner Ankunft im Jahr 1890 hielt er fest, dass die erstaunliche berauschende Wirkung der Stadt alles übertreffe, was man sich nur vorstellen könne. Sein Amt am Hof schnitt ihn nicht vom Leben der Stadt ab. Er erwies sich als produktiver Maler, der alle nur möglichen Facetten Istanbuls in seinen Gemälden einfing, darunter Ansichten von Brunnen, Friedhöfen und das lebendige Treiben des Alltags in verschiedenen Stadtteilen, wie etwa das Bild „Sonntag auf der Promenade in Göksu“ zeigt. Der beliebte Erholungsort der Istanbuler, am Fluss Göksu am asiatischen Ufer des Bosporus gelegen, bot hervorragende Gelegenheit, das osmanische Leben zu beobachten. Im Vordergrund haben Fährmänner ihre Passagiere am Flussufer ausgeschifft und sind nun mit ihren Booten wieder auf dem Weg zur anderen Seite des Flusses. Auf der Uferpromenade spazieren drei Damen und in der Ferne ist das Flirren der Hitze spürbar.Das rege Treiben der Istanbuler und die bedeutenden Sehenswürdigkeiten und Monumente in der Stadt begeisterten nicht nur die dort lebenden Künstler, sondern viel mehr noch jene, die auf ausgedehnten Reisen die Türkei und den arabischen Raum kennenlernten. So wie den in Brest geborenen Maler Auguste Étienne François Mayer, der die Ansicht des Bosporus in Istanbul bei Sonnenuntergang wählte. In dramatischer Lichtstimmung zeigt er die Ortaköy-Moschee auf der linken Seite und im Vordergrund ein Gräberfeld mit osmanischen Grabsteinen. Der Bau der Moschee wurde von Sultan Abdülmecid I. in Auftrag gegeben und um 1854 abgeschlossen.

Fausto Zonaro (1854–1929), Sonntag auf der Promenade in Göksu, Öl auf Leinwand, 42 x 70,5 cm, Schätzwert € 100.000 – 150.000
Fausto Zonaro (1854–1929), Sonntag auf der Promenade in Göksu, Öl auf Leinwand, 42 x 70,5 cm, Schätzwert € 100.000 – 150.000

In der zweiten Hälfe des 19. Jahrhunderts gehörte es für Künstler schon fast zur Grundausbildung, ferne Länder zu bereisen und ein neues, außergewöhnliches Bildrepertoire in die Kunst einfließen zu lassen. Als Zentrum orientalischer Sujets kristallisierte sich die Kunstmetropole Paris heraus. Dort bildeten sich nicht nur französische Maler wie Auguste Étienne François Mayer, sondern auch internationale Künstler wie eben Osman Hamdi Bey und der Itali- ener Fausto Zonaro, der kurz vor seiner Zeit am Bosporus 1888 mit großer Hoffnung nach Paris ging, wo sich zu jener Zeit die impressionistische Malerei auf dem Höhepunkt befand. Während seines Aufenthalts in Paris entwickelte er seinen individuellen impressionistischen Stil, der sich in den meisten seiner orientalistischen Darstellungen wiederfindet. Weniger von den impressionistischen Möglichkeiten als mehr von der französischen Salonmalerei – vor allem von jener Jean-Léon Gérômes – angetan war der österreichische Maler Rudolf Ernst. Er interessierte sich besonders für die Darstellung von Szenen im Orient, die das alltägliche Leben widerspiegeln, wie man es sich im Westen vorstellte. Darüber hinaus übernahm er vom großen Meister die naturgetreue, detaillierte Wiedergabe und die Verwendung leuchtender Farben. Bei dem in der Dorotheum-Auktion angebotenen Gemälde handelt es sich möglicherweise um ein Porträt von Abd el Kadir (1808–1883), einem algerischen Feldherrn, Gelehrten und arabischen Volkshelden. Trotz einiger Elemente, die auf eine eindeutige Identifizierung des Dargestellten hindeuten könnten, wie des Schwerts, das für militärische Errungenschaften steht, der Wahl eines makellosen leuchtenden Weiß für den Burnus des Mannes oder der leichten Ähnlichkeit seines Gesichts mit anderen zeitgenössischen Darstellungen ist es wahrscheinlicher, dass es sich um eine Variation des Wächter-Themas handelt. Desselben bediente sich auch Raphael von Ambros. Sein Gemälde zeigt einen nubischen Wächter vor einem geschlossenen Tor. Die Darstellung ist mit größter Sorgfalt und meisterhafter Detailgetreue ausgeführt. Der fotografische Realismus dieser ruhigen Szene zeugt von der akademischen Ausbildung des Künstlers an der Prager Akademie für Bildende Künste, dem anschließenden Studium an der Wiener Akademie als Schüler von Hans Makart sowie seiner Zeit in Paris, wo er ebenso maßgeblich von den Werken Jean-Léon Gérômes beeinflusst wurde. Die Parallelen zwischen dem Gemälde von Rudolf Ernst und Raphael Ambros sind nicht nur in der Farbgebung, sondern auch in der Wahl des Themas auffallend.Die Faszination des Orients, die Sehnsucht nach Neuem und fernen Ländern sowie der intellektuelle Austausch zwischen den Kulturen erreichten im 19. Jahrhunderts ihre Blüte, und die bildende Kunst ist ein vorbildliches Beispiel dafür. Die in der Auktion für Gemälde des 19. Jahrhunderts am 2. Mai 2023 angebotenen Werke bieten einen Streifzug durch diese aufregende Epoche der Kunst.

Johanna Plank ist Expertin für Gemälde des 19. Jahrhunderts im Dorotheum.

Raphael von Ambros (1855–1895), Der Wächter, Öl auf Holz, 46 x 32 cm, Schätzwert € 40.000 – 60.000
Raphael von Ambros (1855–1895), Der Wächter, Öl auf Holz, 46 x 32 cm, Schätzwert € 40.000 – 60.000
Rudolf Ernst (1854–1932), Ein Araber, Öl auf Leinwand, 225 x 109 cm, Schätzwert € 80.000 – 120.000
Rudolf Ernst (1854–1932), Ein Araber, Öl auf Leinwand, 225 x 109 cm, Schätzwert € 80.000 – 120.000

AUKTION

Gemälde des 19. Jahrhunderts, 2. Mai 2023, 18 Uhr
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien

19.jahrhundert@dorotheum.at
Tel. +43-1-515 60-355, 377

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