Fausto Zonaro: Vom Fangen und Finden

Fausto Zonaro (1854–1929), La Coda del Diavolo, Öl auf Leinwand, 79,5 x 137,5 cm, Schätzwert € 100.000 – 160.000

Fausto Zonaro (1854–1929), La Coda del Diavolo, Öl auf Leinwand, 79,5 x 137,5 cm, Schätzwert € 100.000 – 160.000

Lange Zeit galt das von Natürlichkeit und Lebensfreude vibrierende Gemälde von Fausto Zonaro als verschollen. Nach einer bewegten Reise gelangt „La Coda del Diavolo“ nun im Oktober im Dorotheum zur Auktion.

„Die Leute, die durch Pera schlendern, werden von diesem herrlichen Gemälde, das Fausto Zonaro, der Künstler des Sultans, hier ausgestellt hat, fasziniert sein. Darauf sind Dorfmädchen aus Venetien zu sehen, die sich auf einer wunderschönen grünen Wiese vergnügen. Dieses Gemälde ist ein wahres Beispiel für den feinen Geschmack und die Eleganz dieses brillanten Künstlers. Er hat seine Farben so wunderbar arrangiert, dass die Motive lebendig zu sein scheinen. So sehr, dass man sagen könnte, Zonaro hätte ihnen eine Seele eingehaucht.“

Mit diesen Worten berichtete die italienische Zeitschrift „La Turchia“ am 1. Dezember 1906 über das in einem Schaufenster des Ausstellungsraums der Teppichfabrik Hereke in Beyoğlu präsentierte Gemälde „La Coda del Diavolo“. Dabei handelt es sich um ein frühes Werk des in Italien geborenen Künstlers Fausto Zonaro, das bei einem Besuch seiner Familie in Tramonte, einem Dorf in den Hügeln Paduas, entstanden war. So hält es seine Schwester fest: „In den Ferien kam unser Bruder Fausto aufs Land, um eine Zeitlang bei uns zu leben. Er hatte an ein schönes Gemälde gedacht, das er gleich nach seiner Ankunft begann. Er hatte ein paar Mal ein Spiel gesehen, das junge Mädchen in ihrer Freizeit auf dem Rasen spielten. Es wurde Teufelsschwanz genannt.“

Fausto Zonaro (1854–1929), Dopo il gioco, Öl auf Leinwand, 80 x 134 cm, erzielter Preis € 237.300
Fausto Zonaro (1854–1929), Dopo il gioco, Öl auf Leinwand, 80 x 134 cm, erzielter Preis € 237.300

Das Gemälde zeigt eine Szene aus dem bei der italienischen Landbevölkerung beliebten Kinderspiel: Dabei gesellt sich das stärkste und größte Mädchen an die Spitze einer Reihe anderer Mädchen, die sich jeweils am Kleid oder an der Schürze der vor ihm befindlichen Spielkameradin festhalten. Das Mädchen am Kopf der Schlange muss nun mit ausgebreiteten Armen die anderen vor den Spötteleien des Teufels verteidigen. Das Mädchen, das den Teufel spielt, darf frei umherlaufen und versucht mit schnellen Bewegungen das letzte Glied der Kette zu erwischen. So verläuft das Spiel unter viel Geschrei und Gelächter, bis schlussendlich auch das letzte Mädchen in der Kette gefangen wird. Fausto Zonaro übertrug die Szene voller Bewegung und Lebendigkeit auf die Leinwand und gab die anmutigen und dennoch bescheidenen Mädchen voller Realismus wieder. Betrachtet man das Gemälde näher, wird klar, warum das Herz des Künstlers daran besonders hing und es neben „Dopo il gioco“ – es zeigt die „Nach dem Spiel“ auf der Wiese rastenden Mädchen – den Weg von Italien nach Istanbul (damals noch Konstantinopel) fand. Sowohl „Dopo il gioco“, im April 2010 im Dorotheum versteigert, als auch „La Coda del Diavolo“ („Der Teufelsschwanz“) galten als verschollen, seit sie 1908 in der letzten Ausstellung im Haus der Familie Zonaro in Akaretler in Istanbul gezeigt worden waren. Dass 13 Jahre nach der sensationellen Wiederentdeckung von „Dopo il gioco“ – beide Gemälde wurden vom Künstler als eine Art Diptychon gedacht – nun auch „La Coda del Diavolo“, das bislang nur von einer Fotografie bekannt war, in einer deutschen Privatsammlung wiedergefunden wurde und am 24. Oktober 2023 zur Versteigerung kommt, erscheint fast unwirklich.

Fausto Zonaro, Selbstporträt, 1914, Öl auf Leinwand, 60,6 x 50,7 cm, erzielter Preis € 106.250
Fausto Zonaro, Selbstporträt, 1914, Öl auf Leinwand, 60,6 x 50,7 cm, erzielter Preis € 106.250

Nach einer etwas rastlosen Phase in den späten 1880er-Jahren, in der Fausto Zonaro 1888 kurz in Paris verweilte, bevor er sich in Venedig niederließ, wo er Malerei unterrichtete und seine zukünftige Frau Elisa Pante kennenlernte, machte er sich 1890 nach Istanbul auf, um dort mit seiner jungen Braut sein Glück zu versuchen. Am 5. November 1890 kam er schließlich als Passagier der dritten Klasse in Istanbul an, wo er sofort von der erstaunlich berauschenden Wirkung der Stadt überwältigt war. In seinen Memoiren vermerkt er, dass ihn bei der Einreise in Istanbul ein Zollbeamter aufhielt und seine Habseligkeiten sichtete. Darunter befand sich auch das nun wiederentdeckte Gemälde „La Coda del Diavolo“. Nachdem der Künstler dem Beamten erläutert hatte, dass es sich bei den Werken um seine eigenen handle, war dieser davon begeistert, und der hoffnungsvolle Künstler konnte nach Bezahlen einer kleinen Summe ohne Probleme einreisen. Fortan bewahrte Zonaro die Gemälde aus seiner Zeit in Italien sorgfältig eingerollt in seinem Schlafzimmer auf, um sie im Fall eines Feuers – wie sie zu jener Zeit häufig in Istanbul ausbrachen – schnell in Sicherheit bringen zu können. Er zeigte sie aber auch interessiertem Publikum, und gelegentlich wurden sie zu Ausstellungsbeteiligungen nach Europa geschickt; so war „La Coda del Diavolo“ 1896 in Barcelona und Rom zu sehen.

Als Hofmaler von Sultan Abdülhamid II (1842–1918) lernte Zonaro dessen ältesten Sohn Şehzade Mehmed Burhaneddin (1885–1949) kennen. Zwischen den beiden Männern entstand eine innige Freundschaft und der osmanische Prinz wurde zu einem begeisterten Sammler seiner Bilder. Als die Revolution ausbrach und Zonaros einflussreicher Gönner Sultan Abdülhamid II ins Exil gehen musste, entschloss auch er sich, mit seiner Familie Istanbul zu verlassen. Das 1908 zuletzt ausgestellte Werk „La Coda del Diavolo“ verblieb wohl bis 1910 im Besitz des Künstlers und wäre auch mit ihm wieder nach Italien zurückgekehrt, hätte ihm nicht sein Freund Prinz Şehzade Mehmed Burhaneddin kurz vor seiner Abreise einen Besuch in seinem Atelier abgestattet. So verkaufte Zonaro dieses Herzensstück und weitere Gemälde an den Prinzen, wodurch das große Vertrauen zwischen den beiden Männern ein letztes Mal bezeugt wurde. Der Prinz schrieb: „Mit großer Freude stelle ich fest, dass Monsieur Zonaro heute ohne Ausnahme der bedeutendste Künstler des Orients ist. Ich bin sehr glücklich, denn ich habe einige seiner schönsten Gemälde erworben, die ich als Meisterwerke betrachte.“ Nach dem Exil seines Vaters zog Prinz Burhaneddin in die Schweiz, traf im Oktober 1915 in Wien ein, wo er bis Ende 1921 im Hotel Bristol wohnte, bevor er weiter nach Nizza und Paris ging, um sich schließlich 1930 in New York niederzulassen, wo er 1949 verstarb.

Die Spur des Meisterwerks, das Fausto Zonaro selbst neben „Dopo il gioco“ als das erfolgreichste und repräsentativste Werk seiner frühen Schaffensphase betrachtete, verlor sich 1910. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass Prinz Burhaneddin es mit sich nach Europa nahm, wo es nun in einer deutschen Privatsammlung wieder zum Vorschein kam. Umso bemerkenswerter, dass wir dieses Gemälde heute wieder in seiner vollen Pracht erleben können!

Fausto Zonaro (1854–1929), La Coda del Diavolo, Öl auf Leinwand, 79,5 x 137,5 cm, Schätzwert € 100.000 – 160.000

AUKTION

Gemälde des 19. Jahrhunderts, 24. Oktober 2023, 18 Uhr
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien

19.jahrhundert@dorotheum.at
Tel. +43-1-515 60-355, 377

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