Schätze aus Mariazell – und anderen Wallfahrtsorten

links: Mariazeller Gnadenmadonna mit barocken Silberkronen, Ende 18. Jh., Gesamthöhe 66,5 cm, Startpreis € 800, rechts: Seltenes Andachtsbild aus Mariazell, um 1800, 13,4 x 9,1 cm, Startpreis € 180

Die Volkskunst, Fayencen, Skulpturen, Metallarbeiten & Varia -Auktion vom 25.09.2023 bietet allen Volkskunstliebhabern die Möglichkeit, ausgesuchte Objekte der Volksfrömmigkeit und europäischen handwerklichen Tradition zu erwerben.

Ein großes Kontingent der sehr reich aufgestellten Auktion stellen mit Sicherheit Objekte aus dem Wallfahrtsort „Mariazell“ dar. Kaum ein Pilgerort hat eine solche Bedeutung im Habsburgerreich errungen wie die steirische Pilgerbasilika, die bereits im 12. Jh. von einem Mönch aus dem Benediktinerkloster St. Lambrecht als Aufbewahrungsort (Zelle) einer romanischen Marienstatue gegründet wurde.[1] Jedem, der sich im Großraum Österreich aufgehalten hat, muss das berühmte Gnadenbild zumindest einmal begegnet sein, so bedeutend war es als Vorlage für das spätere Kunstschaffen. Nicht nur dreidimensionale Werke- wie eine Skulptur, die um 1800 geschaffen und mit feinen barocken Elementen kombiniert wurde-, sondern auch zweidimensionale Andachtsbilder, wie ein Spitzenbild aus dem 18. Jh. mit dem Hl. Nepomuk und ein eher seltenes Pergament mit unterschiedlichen Gnadenbilder-Darstellungen (um 1800), darunter das hochmittelalterliche Gemälde aus der Mariazeller Nordschatzkammer, welches vermutlich aus der Hand des sienesischen Malers Andrea Vanni stammt und dem Pilgerort von Ludwig I. von Ungarn gestiftet wurde,[2] sind am 25.09. vertreten.

Viechtauer Krösendose mit Mariazeller Madonna, 19. Jh., Dm. 10,5 cm, Startpreis € 150
Viechtauer Krösendose mit Mariazeller Madonna, 19. Jh., Dm. 10,5 cm, Startpreis € 150

Sogar Alltagsobjekte- siehe eine gedrechselte und bemalte Viechtauer Krösendose, die als Taufgeschenk überreicht und zur Aufbewahrung der Nabelschnur des Neugeborenen dienen konnte,[3] zeugt vom weitreichenden Einfluss Mariazells innerhalb der Bevölkerung. Die steirische Basilika ist allerdings nicht der einzige Pilgerort, der in dieser Auktion auf die Bühne tritt. So begegnen uns weitere österreichische Gnadenbilder wie Maria Plain bei Salzburg in Form einer Klosterarbeit mit Collage aus Seiden,- Gold und Silberfäden aus dem 18. Jh. und die gnadenspendende Dreifaltigkeit von Sonntagsberg bei Amstetten in Gestalt eines Ex-Voto-Gemäldes mit Stifterin.

Spitzenbild, Ursprungslegende von Maria Taferl (Ausschnitt), 18. Jh., 13,5 x 8,5 cm, Startpreis € 150
Spitzenbild, Ursprungslegende von Maria Taferl (Ausschnitt), 18. Jh., 13,5 x 8,5 cm, Startpreis € 150

Besonders erläuternd ist ein Spitzenbild aus Maria Taferl, auf dem die Gründungslegende des Waldviertler Wallfahrtortes im Detail abgebildet ist: unterschiedliche Wunder haben sich in den Jahren 1633 und 1642 rund um einen Eichenbaum ereignet, der nicht gefällt werden konnte und an dem später ein Gnadenbild-Täfelchen angebracht wurde. Der Zustrom an Pilgern habe so zugenommen, dass man sich im Jahre 1660 zur Erbauung einer Kirche gezwungen sah.[4]

Hinterglasbild, Sandl - Maria Hilf Madonna, 19. Jh., 31,5 x 23,5 cm, Startpreis € 150
Hinterglasbild, Sandl – Maria Hilf Madonna, 19. Jh., 31,5 x 23,5 cm, Startpreis € 150

Nicht fehlen im Rahmen dieser Auktion durfte die Maria Hilf Madonna nach dem Gemälde des Lukas Cranachs d.Ä im Innsbrucker Jakobsdom. Ein Sandler Hinterglasbild mit den berühmten Sandler Rosen besticht durch seine kontemplative Schlichtheit, während ein älteres Spickelbild vom Verleger Caspar Harrer in München (um 1780)- dessen Drucke in unterschiedlichen Archiven aufbewahrt werden- eine eher heterogene Erscheinung darbietet.[5]

Maria Heil bei Neustift, Maria Kirchenthal und die außerösterreichischen Wallfahrtorte von Landshut (Bayern), Maria Einsiedeln (Schweiz) und sogar ein seltenes französisches Grabtuch aus dem 17. Jh. schließen die Reihe der angebotenen Exponate, die sich durch ihre Vielfalt und historische Prägnanz kennzeichnen.

Das Wort „volkstümlich“ ist in der Alltagssprache mitunter ein wenig abwertend konnotiert. Wenn man über Volkskunst spricht, denkt man instinktiv an einfache, vielleicht „unraffinierte“ Kunst. Viele Objekte aus dieser Auktion beweisen aber das Gegenteil. Ja, es ist nicht die Kunst der großen Künstlernamen: ein Michelangelo wird man in der Volkskunstauktion nicht entdecken. Dennoch erzählen diese Gegenstände auf ehrliche und unmittelbare Weise etwas über die Geschichte der jeweiligen Länder und der Menschen, die dort gelebt haben. Sie geben Zeugnis vom Alltag dieser Individuen und von ihren gesellschaftlichen und religiösen Schwerpunkten. Sie bieten eine Vielfalt an Materialien, Kunsttechniken und Themen, die in keiner anderen Sparte so zutage kommt.

Information: Christine Masser, Regina Herbst, Dr. Georg Ludwigstorff, Immanuel Scolik, Sandra Hipfinger

Jean de Loisy (1603 - ca. 1670 Besancon) - Das Grabtuch von Besancon, 50,5 x 32,5 cm, Startpreis € 1.200
Jean de Loisy (1603 – ca. 1670 Besancon) – Das Grabtuch von Besancon, 50,5 x 32,5 cm, Startpreis € 1.200

[1] Offizielle Webseite der Basilika Mariazell, Gründungsgeschichte, URL: https://www.basilika-mariazell.at/site/de/basilikahlorte/gruendungsgeschichte (07.09.23).

[2] Offizielle Webseite der Basilika Mariazell, Die Schatzkammern der Basilika Mariazell, URL: https://www.basilika-mariazell.at/site/de/kunstkultur/schatzkammern (07.09.23).

[3] Josef Ruhland, Alltagsdinge in und um das Kulturhaus, URL: www. kulturhaus-kopfing. info/alltagsdinge/frauensache n-in-der-brauchtumsstube-musterfleck-kopftuch-kr%C3%B6sendos e-suppnbrunzer/, 11.2020 (letzter Zugriff 16.02.23); siehe auch: Helmut Nemec, Alpenländische Volkskunst, Wien 1980, S. 76f.

[4] Monika Soffner Loibl, Entstehung der Wallfahrt, offizielle Webseite der Basilika von Maria Taferl- URL: http://www.basilika.at/basilika/geschichte/index.html (04.09.23).

[5] Siehe: Stadtarchiv von Brüneck in Südtirol; Bayerisches Stadtarchiv in München und Bildarchiv des Instituts für Sächsische Geschichte und Volkskunde (ISGV).

AUKTION

Volkskunst, Fayencen, Skulpturen, Metallarbeiten und Varia

bis 25. September, 15 Uhr
Online-Auktion

antiquitaeten@dorotheum.at
Tel. +43-1-515 60-363

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