Der Kunst-Connaisseur Alain Tarica im Gespräch

Das „Konzert im Palast” von Johann Georg Platzer ist sein Lieblingserwerb aus dem Dorotheum: Alain Tarica, der Mann hinter Yves Saint Laurents Art Collection. Ein Gespräch über das Sammeln.

von Constanze Werner

Nach dem Studium der Mathematik trat Alain Tarica in die Fußstapfen seines Vaters, des Pariser Kunsthändlers Sami Tarica. Als Galerist und Berater war Tarica maßgeblich am Aufbau bedeutender Sammlungen – wie unter anderem der Collection Yves SaintLaurent und Pierre Bergé – beteiligt, publizierte zu kontroversen Kunstfragen und wandte sich Ende der 1990er-Jahre seiner eigenen Sammlung zu.

Dorotheum myART MAGAZINE: Monsieur Tarica, Sie sind ausgebildeter Mathematiker. Was hat Sie zur Kunst geführt? Und was hat Kunst mit  Mathematik zu tun?

Alain Tarica: Zahlreiche Wissenschaftler waren auch Künstler. Einstein zum Beispiel spielte großartig Violine. Auch Raphaël Salem, ein herausragender Mathematiker – nach ihm wurden die Salem-Zahlen benannt –, liebte die Musik und spielte Violine. Er interessierte sich außerdem für Kunst und Literatur.

Was würden Sie tun, wenn Sie nicht Galerist und Kunstsammler geworden wären?

Außer der Mathematik wüsste ich da jetzt nichts …

Sie leben heute in der Schweiz. Im Dorotheum Wien sehen Sie sich wieder Bilder an. Reisen Sie viel für Ihre Leidenschaft?

Ja, aber nur in Europa.

Gibt es einen Lieblingsort mit einem Lieblingsmuseum, einem Lieblingswerk?

Wien gehört zu meinen liebsten Städten. Und hier gehe ich jedes Mal in das Wien Museum zu Makarts Gemälde der Dora Fournier-Gabillon. Ich bin sehr erstaunt darüber, dass die österreichische Regierung nicht mehr für die österreichische Malerei tut. Ihr Fokus scheint auf den Kreis von Klimt, Schiele, Kokoschka und Gerstl beschränkt zu sein.

Als Galerist und Berater haben Sie geholfen zu sammeln. Aber was sammeln Sie persönlich?

Bilder … (lacht) Also die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, alle „Ismen“, italienische, deutsche, österreichische und französische Malerei des 19. Jahrhunderts und Gemälde des Barock, daneben noch Keramikskulpturen und Möbel.

Sie haben im Dorotheum das „Konzert im Palast“ von Johann Georg Platzer erstanden. Was fasziniert Sie gerade an diesem Gemälde?

Es ist einfach herrlich, wundervoll „rokoko“ – so rokoko … (lacht). Wie die schönen Werke von ihm im Belvedere.

Johann Georg Platzer (1704–1761) Konzert im Palast, Öl auf Kupfer, 65,3 x 92,4 cm
Johann Georg Platzer (1704–1761) Konzert im Palast, Öl auf Kupfer, 65,3 x 92,4 cm

Was ist Ihre oberste Priorität beim Kunstkauf?

Qualität! Wenn Sie ein Werk im Auge haben, vergleichen Sie es nicht mit einem anderen auf dem Markt, sondern mit einem anderen im Museum.

Wie ist es, für andere zu sammeln – im Vergleich zum Sammeln für sich selbst? Kann man für jemanden etwas ganz anderes suchen, als es dem eigenen Geschmack entspricht?

Schon, das Ausschlaggebende dabei ist nur, dass man von den gesammelten Kunstrichtungen wirklich etwas versteht.

Sie haben unter anderem beim Aufbau der Sammlung Yves Saint Laurent und Pierre Bergé eine maßgebliche Rolle gespielt. Welche war das?

Die Gemälde kamen weitgehend über mich. Ich war Berater und habe die begehrten Werke und Künstler für sie gefunden. Dabei waren Yves Saint Laurent und Pierre Bergé damals durchaus nicht reich. Aber wenn man ein gutes Auge und Geschmack hat, kann man Bedeutendes zusammentragen. Es ist leicht, Qualität zu kaufen, wenn man viel Geld hat, ansonsten muss man ein Gespür haben. Ich treffe Pierre Bergé immer noch etwa einmal im Jahr, wir tauschen uns gerne aus.

Und die Sammlung Gunter Sachs?

Gunter Sachs war ein Kunde meines Vaters, der auf Yves Klein und Jean Fautrier spezialisiert war. Als später Werke aus der Sammlung Sachs zur Auktion kamen, habe ich einen Fautrier gekauft, den er von meinem Vater erworben hatte.

Wann haben Sie sich auf das private Sammeln zurückgezogen?

Ich war bis Ende der 1990er-Jahre aktiv im Handel. Von da an habe ich nur noch für mich selbst gesammelt.

Sie haben langjährige Erfahrung,  und das in vielen Ländern. Gibt es im Sammlerverhalten und in der Einstellung zum Sammeln markante Unterschiede zwischen den Ländern?

Ich beobachte heute bei den Sammlern der Zeitgenossen Unterschiede zu Sammlern früher und zu Sammlern früherer Richtungen: Ein Künstler wird groß und teuer, ist in aller Munde. Fünf Jahre später interessieren sich Sammler, die viel Geld für seine Werke ausgegeben haben, oft überhaupt nicht mehr dafür. Das war früher nicht so.

Wie scannen Sie das Angebot auf dem Kunstmarkt?

Auktionskataloge ansehen: Das mache ich ständig.

Welche Herangehensweise empfehlen Sie künftigen Sammlern für den Aufbau einer Sammlung. Haben Sie Tipps, worauf man achten soll?

Sich zuerst einmal Kenntnisse aneignen. Viel lesen, Museen besuchen – und das lange vor dem ersten Kauf. Und immer auf Qualität achten! Ich durfte einmal den verstorbenen Chicagoer Sammler James Alsdorf besuchen, um seine Sammlung anzusehen. Er brachte mich in einen Raum, in dem zwölf, höchstens 15 Werke hingen. Aber diese waren von absoluter Spitzenqualität, ein Werk wichtiger als das andere. Ich dachte, jetzt gehe es noch weiter mit einer Vielzahl von anderen Werken, aber das war es. Das war seine Sammlung. Ich war überwältigt. Und er sagte mir: „Ich habe 40 Jahre gebraucht, um hier anzukommen.“

Gibt es Sammler oder Experten, die Sie besonders schätzen?

Ja, Philip Pouncey, der 1990 verstarb, war wohl die größte Autorität für Zeichnungen der italienischen Renaissance. Ich schätze auch ganz besonders Wolfgang Prohaska, der früher stellvertretender Leiter der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums war – ein großer Experte der italienischen Malerei.

Haben Sie einen Bezug zu Österreich?

Ja, ich komme oft nach Österreich. Ich war auch in Linz und in Graz, um die Museen dort anzusehen. Sehr beeindruckt war ich davon, wie sehr sich Graz darum bemüht, seine Kultur und seine historische Substanz zu erhalten. Wussten Sie, dass der Gründer der Pâtisserie Angelina in der Rue de Rivoli in Paris ein Österreicher war? Die Konditorenfamilie Rumpelmayer ging in den 1870er-Jahren nach Südfrankreich, um am Meer ihre kranke Tochter zu kurieren, und gründete dort schon eine Confiserie. Später eröffnete man dann Angelina in Paris … daher heute noch die Bilder der Côte d’Azur an den Wänden des Cafés in Paris. Ich muss aber sagen, dass der Mont-Blanc-Kuchen beim Demel in Wien noch besser schmeckt.

Haben Sie eine Vision vom Kunstmarkt in zehn Jahren?

Der Kunstmarkt hat sich in den letzten 20 Jahren mehr geändert als in den 100 Jahren davor, bedingt auch durch die rasante Entwicklung der Technologie. Hätten Sie mich das vor 20 oder besser 30 Jahren gefragt, ich hätte Ihnen dazu etwas sagen können. Aber jetzt? Ich habe keine Ahnung!

Alain Tarica und seine Partnerin, die Künstlerin Andrea Nehring, zu Besuch im Palais Dorotheum
Alain Tarica und seine Partnerin, die Künstlerin Andrea Nehring, zu Besuch im Palais Dorotheum

 

Constanze Werner
ist Leiterin des International Client Advisory Service des Dorotheum.
(Der Artikel erschien im Dorotheum myART MAGAZINE Nr. 06/2015)

 

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