Erzherzog Ludwig Viktor: Lebemann und Kunstsammler

Von April 1921 bis Februar 1922 versteigerte das Dorotheum den Nachlass des jüngsten Bruders von Kaiser Franz Joseph I., Erzherzog Ludwig Viktor, aus dessen Wohnsitz Schloss Kleßheim in Salzburg. An mehr als 54 Tagen wurde die Auktion abgehalten – sie gilt mit über 7.000 Lots bis heute als die umfangreichste in der Geschichte des Dorotheum.

Erzherzog Ludwig Viktor
Porträtfoto des Erzherzogs im Zivilanzug, um 1865

Die Sammelleidenschaft des ebenso kunstsinnigen wie skandalträchtigen Erzherzogs Ludwig Viktor ist umfassend überliefert. Der Bonvivant des österreichischen Kaiserhauses, dem das Leben im Luxus wesentlich mehr zusagte als eine militärische Laufbahn, stattete sein Salzburger Schloss prächtig aus. Ein Pool mit Sprungbrett, ein Badehaus und ein Tennisplatz gehörten zum Areal. Sowohl das Winter- als auch das Sommerschloss waren übervoll mit Kunstschätzen. Aufschluss darüber geben mehr als zehn Auktionskataloge zur Versteigerung des Nachlasses Erzherzog Ludwig Viktors, die von April 1921 bis Februar 1922 im Dorotheum stattfand.

 

Inszenierte Kunstsammlung

Der Erzherzog inszenierte seine Kunstsammlung regelrecht. Sie umfasste prunkvolles Porzellan, dekorative Möbel, wertvolle Gemälde ebenso wie Silber, Schmuck oder die erzherzögliche Miniaturen- und Dosensammlung. Mehr als 800 Lots zählte man allein bei der Auktion der Bibliothek.

 

An vier Nachmittagen von 24. bis 27. Oktober 1921 stand die Versteigerung seiner Keramik an, der Ludwig Viktors besondere Leidenschaft galt: Ungeheure Mengen, mehr als 600 Stück, hatten sich im Lauf seiner Sammeltätigkeit angehäuft. Eine Vorliebe hatte er auch für Aquarelle, vor allem von Franz von Alt, der Schloss Kleßheim mehrfach gemalt hatte. Schon von seiner Jugend an sammelte der Erzherzog Porzellan verschiedenster Manufakturen; auf seinem blau-weißen Meißener Porzellan wurde bei Empfängen im Barockschloss gespeist.

Ein großer Teil der versteigerten Einrichtung stammte ursprünglich aus Ludwig Viktors Wiener Palais am Schwarzenbergplatz (später Militärkasino, heute Probenort und Spielstätte des Wiener Burgtheaters), das Ludwig Viktor für sich hatte erbauen lassen und bis 1904 bewohnte. Auch aus dem Nachlass Albert von Sachsen-Teschens, des Gründers der Albertina, befanden sich Objekte in der Sammlung. Außerdem ist davon auszugehen, dass er von seiner Tante Marie-Louise – sie war mit Napoleon Bonaparte verheiratet – mehrere Stücke erbte. So wurde zum Beispiel ihr Reisenecessaire versteigert, ebenso das Schreibzeug Napoleons.

Vom Nesthäkchen zum Kunstförderer

Erzherzog Ludwig Viktor Joseph Anton von Österreich wurde am 15. Mai 1842 in Wien geboren. Er war der jüngste Sohn von Erzherzog Franz Karl von Österreich und dessen Ehefrau Sophie Friederike von Bayern. Anders als seine drei Brüder – Franz Joseph I. als Ältester, Ferdinand Max und Karl Ludwig – spielte er keineswegs eine politische Rolle. Zweifellos war er aber eine schillernde Persönlichkeit. Als jüngstes Kind von seiner Mutter umsorgt, hatte er eine dandyhafte Jugend und führte auch später ein unangepasstes Leben. Er war charmant, witzig und für seine Scharfzüngigkeit gefürchtet. In seinem Palais am Schwarzenbergplatz feierte er opulente Feste, seine Homosexualität war ein offenes Geheimnis und wurde von der kaiserlichen Familie toleriert. Ein möglicherweise inszenierter Eklat (der Erzherzog soll 1904 im Wiener Centralbad nach einem missglücken Annäherungsversuch eine Ohrfeige erhalten haben) war der Anlass dafür, dass Ludwig Viktor auf Wunsch des Kaisers auf Schloss Kleßheim „verbannt“ wurde. Das Schloss – einst bischöflicher Sommersitz – hatte Kaiser Franz Joseph I. bereits 1866 erworben und seinem Bruder geschenkt. Ludwig Viktor ließ von 1880 bis 1882 einen Winterpalast errichten; Kleßheim war damit ganzjährig bewohnbar. Auch in Salzburg waren die Einladungen des Erzherzogs sehr begehrt. Er widmete sich der Kunstförderung, gründete den Salzburger Kunstverein und unterstützte das Städtische Museum Carolino Augusteum (heute Salzburg Museum).

Soziales Engagement

In der Salzburger Bevölkerung war Ludwig Viktor außerordentlich beliebt und für sein soziales Engagement bekannt. Der Kaiser ernannte seinen jüngsten Bruder zum Protektor des Roten Kreuzes – eine Aufgabe, der der Erzherzog mit großem persönlichen Einsatz nachkam. Ludwig Viktor spendete für Vinzenzvereine, für Schulbildung, finanzierte den Bau der Volksschule in Siezenheim und gab 1899 ein Fest zugunsten der Opfer einer Hochwasserkatastrophe, die die Stadt im September getroffen hatte.

Seine Demenzerkrankung führte dazu, dass Ludwig Viktor ab 1915 unter Kuratel gestellt wurde. Er starb am 18. Jänner 1919, bereits nach dem Ende der Monarchie, als 77-Jähriger in seiner Salzburger „Wahlheimat“. Dort wurde er auf eigenen Wunsch auf dem Siezenheimer Friedhof begraben.

Umfangreicher Nachlass

Aus der Sammlung von Erzherzog Ludwig Viktor:
Ferdinand Georg Waldmüller
Zuflucht vor dem nahenden Gewitter, 1832

Ludwig Viktor hinterließ seinen gesamten Besitz seinem Großneffen Karl (als Karl I. letzter Kaiser von Österreich), dessen Bruder Max und deren Mutter Maria Josepha. Sie entschieden sich gleich nach Ludwig Viktors Tod, das Erbe zu veräußern.

Den Zuschlag für die Verwertung der Kunstschätze erhielt der spanische Kunsthändler Don Evaristo Sanz Sagaseta de Hurdez für 1.050.000 Schweizer Franken. Er brachte sie ins Dorotheum zur Versteigerung. Von lebhaftem Interesse und wahren Rekordpreisen war in den Zeitungen zu lesen. Allein die Auktion des Silberschatzes erzielte 22 Millionen Kronen. Das Schreibzeug Napoleons und das Reisenecessaire Marie Louises wurden um 4,4 Millionen Kronen versteigert. Auch der erste Auktionstag der Fayence-Sammlung brachte schon über vier Millionen. Das „Neue Volksblatt“ vom 7. November 1921 schrieb sogar von einem zu erwartenden Erlös von einer Viertelmilliarde Kronen für den gesamten Kleßheimer Kunstschatz. Ein Vermögen für die damalige Zeit, auch wenn sich die Inflation stark ausgewirkt hatte.

Ingeborg Fiegl arbeitet als Pressereferentin im Dorotheum.

Katrin Unterreiner studierte Geschichte und Kunstgeschichte an der Universität Wien, sie war wissenschaftliche Leiterin der Kaiserappartements der Wiener Hofburg und Kuratorin des „Sisi Museums“, ist Autorin zahlreicher Bücher über die Habsburger und über die Kulturgeschichte der k. u. k. Monarchie. Wir danken Katrin Unterreiner für die wissenschaftliche Unterstützung.

BUCHTIPPS

Katrin Unterreiner:  Habsburgs verschollene Schätze. Das geheime Vermögen des Kaiserhauses. Wien: Ueberreuter Verlag, 2020

Katrin Unterreiner: Luziwuzi. Das provokante Leben des Kaiserbruders Ludwig Viktor. Wien: Molden Verlag, 2019

Roswitha Juffinger: Erzherzog Ludwig Viktor. Franz Josephs jüngster Bruder und sein Schloss Kleßheim. Ausst. Kat. DomQuartier Salzburg – Residenzgalerie. Salzburg, 2019

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