Lucio Fontana: Die Entdeckung des Lochs

Werke von Lucio Fontana zählen immer wieder zu den Höhepunkten der Dorotheum-Auktionen. Auch diesmal finden sich in den großen November-Auktionen wieder herausragende Arbeiten des Ausnahmekünstlers, der mit seinen geschlitzten und gelöcherten Leinwänden und Objekten Kunstgeschichte schrieb.

Das Loch ist meine Erfindung, und damit basta. Nach dieser Erfindung kann ich sterben.“  Lucio Fontanas erste perforierte Leinwände entstanden 1949, ein Jahrzehnt später arbeitete der Künstler erstmals an seinen berühmten Schnitten durch die Leinwand. Löcher und Schnitte, „Buchi“ und „Tagli“, wurden zu Variationen von Fontanas grundlegendem Konzept. Auch die „Olii“, an denen Fontana ab Anfang der 1960er-Jahre intensiv arbeitet, werden von tiefen Durchstoßungen und Kratzern dominiert.

Lucio Fontana, Concetto spaziale, natura, 1967 2 Elemente, poliertes Messing jedes 27 x 22 x 22 cm Edition 423/500 Schätzwert € 90.000 – 120.000
Lucio Fontana, Concetto spaziale, natura, 1967
2 Elemente, poliertes Messing
jedes 27 x 22 x 22 cm
Edition 423/500
Schätzwert € 90.000 – 120.000

Mit dem radikalen Gestus des Durchlöcherns wird die ebene Fläche des Bildes durchbrochen. Das Licht fällt durch die Öffnungen, es entsteht eine neue Räumlichkeit und Tiefe. Damit überschreitet Fontana eine Grenze, die der Kunst eine neue Dimension und damit eine neue Freiheit eröffnet – ein in der Kunstgeschichte revolutionärer Weg. Seine Arbeiten benennt Fontana entsprechend „Concetti Spaziali – Raumkonzepte“: „Ein Loch ist der Beginn einer Skulptur im Raum. Meine Arbeiten sind keine Bilder, sondern Kunstkonzepte.“ Fontana lässt die Kunstgattungen – Architektur, Malerei, Skulptur –  ineinander verschmelzen. In seinen „Concetti Spaziali verbindet sich realer und imaginierter Raum, der Blick ins Loch fordert die Vorstellungskraft des Betrachters heraus. Gleichzeitig wird durch das Durchstoßen und Durchschneiden die Stofflichkeit des Bildträgers erfahrbar gemacht.

Lucio Fontana, Concetto Spaziale, 1965 Öl, Risse und Kratzer auf Leinwand, pink, 92 x 74 cm Schätzwert € 600.000 – 800.000
Lucio Fontana, Concetto Spaziale, 1965 Öl, Risse und Kratzer auf Leinwand, pink, 92 x 74 cm Schätzwert € 600.000 – 800.000

Fontanas „Olii“ der 1960er-Jahre zeugen ebenso wie seine zur gleichen Zeit entstandenen Metallarbeiten von der sinnlichen Beziehung des Künstlers zum Material. Er war fasziniert von der Beschaffenheit der verformbaren, leicht plastischen Ölfarbe, die besonders ideal ist, um darin Gesten des Ritzens, Durchlöcherns oder Durchschneidens sichtbar zu machen. Fontana spielt mit den Möglichkeiten des Umgangs mit Leinwand, Farbe, Metall, Glas oder auch Licht: Die künstlerische Geste entwickelt sich am Material und erweckt dessen Potenzial zum Leben.

 

Information:
Alessandro Rizzi, Experte für Moderne und Zeitgenössische Kunst
Patricia Pálffy, Expertin für Moderne und Zeitgenössische Kunst

AUKTION

Zeitgenössische Kunst I , 30. November 2022, 18 Uhr
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien

20c.paintings@dorotheum.at
Tel. +43-1-515 60-358, 386

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