Susanne Bisovsky: Mit Wiener Chic im Herzen

„Verhüllt, enthüllt!“: Bisovsky-Entwurf für die gleichnamige Ausstellung im Weltmuseum Wien, 2018

Ihre Arbeit ist so wienerisch und doch so eigenständig, so sehr der österreichischen imperialen Tradition verhaftet und gleichzeitig so modern: Susanne Bisovsky hat es als eine von wenigen Modeschöpferinnen dieser Stadt geschafft, von Wien aus die Welt zu erobern. Womit? Das verrät jetzt das Buch „Wiener Chic“.

„Euphorische Wienerin“ Susanne Bisovsky
„Euphorische Wienerin“ Susanne Bisovsky, Foto: Udo Titz

Ihre älteste und zugleich wohl berühmteste Verehrerin und Kundin kommt aus den USA: Iris Apfel. Vergangenen August wurde die New Yorker Geschäftsfrau und gerade wieder zum begehrten Model avancierte Modeikone 100 Jahre jung. Nach Wien führte Iris Apfel 2013 ein Schmuck-Summit, geleitet von Swarovski; sie besuchte Susanne Bisovsky in ihrem „Wiener Salon“, war begeistert von dem, was sie da zu sehen bekam, und trägt seither immer wieder einmal „Wiener Chic“. Sie gab diesen Tipp auch weiter, an niemand Geringeren als die Säulenheilige der Mode-Berichterstattung: an Suzy Menkes. Die doch glatt auch in den Salon kam und sich einen ganzen Nachmittag lang dort umschaute.

„Wiener Chic“ nennt Susanne Bisovsky das Herz ihrer Arbeit, und „Wiener Salon“ nennt die gebürtige Linzerin ihre Arbeitsstätte im siebenten Wiener Bezirk, die sie seit 2000 mit Lebens- und Arbeitspartner Joseph Gerger teilt.

„Verhüllt, enthüllt!“: Bisovsky-Entwurf für die gleichnamige Ausstellung im Weltmuseum Wien, 2018
„Verhüllt, enthüllt!“:
Bisovsky-Entwurf für die
gleichnamige Ausstellung im
Weltmuseum Wien, 2018, Foto: Bernd Preiml

Und was sollte man über die Wahlwienerin wissen? Geboren 1968 in Linz, begann sie an der Hochschule für angewandte Kunst bei Jean-Charles de Castelbajac Mode zu studieren. Er engagierte sie vom Fleck weg nach Paris. Weitere Stationen ihrer Ausbildung waren Marc Bohan und Vivienne Westwood. Der Abschluss erfolgte dann unter Modeprofessor Helmut Lang mit der prämierten Diplomarbeit „Be tracht ung“. Davor hatte sie auch schon für und mit ihm gearbeitet. Eines der dabei entstandenen Modelle – in Latex gegossene Spitze, vorgeführt in Paris von Naomi Campbell – wurde zum Dress of the Year 1995 gekürt. Ihr eigenes Label startete Bisovsky 1990 jedoch von Wien aus, arbeitete zusätzlich auch für Gössl und Sportalm, kooperierte unter anderem mit Swarovski, Lobmeyr, Backhausen, der Porzellanmanufaktur Augarten, mit Herend und Koo. Neben ihrem überschäumenden Talent trug vor allem ihre Beharrlichkeit dazu bei, dass ihre Mode auch international wahrgenommen und schließlich gefeiert, ausgestellt und ausgezeichnet wurde. Zum Beispiel im Weltmuseum Wien in der Ausstellung „Verhüllt, enthüllt! Das Kopftuch“ (2018). Oder in der Ausstellung „SHOW OFF. Austrian Fashion Design“ (2020) im MAK. Oder … Kein Wunder, weil unglaublich verdient, dass ihr Kunst-Staatssekretärin Andrea Mayer den vom österreichischen Bundesministerium für Kunst und Kultur, öffentlichen Dienst und Sport verliehenen Outstanding Artist Award 2020 persönlich überreichte.

„Freischütz“-Kostüme an
der Mailänder Scala, 2017, Foto: Bernd Preiml

Auch Bühnenkostüme hat es immer wieder von Susanne Bisovsky gegeben: 2013 zum Beispiel bei den Salzburger Festspielen, 2017 an der Mailänder Scala, wo sie den „Freischütz“ ausstaffierte, zuletzt an der Wiener Staatsoper, wo zum ersten Stück des Ballettabends „Im siebten Himmel“ das Programm meldete: „Bühne und Kostüme: Susanne Bisovsky“.

Was hat es mit den Wien-Bezügen auf sich? Dazu Bisovsky: „Es heißt ja, man muss das Land verlassen, um glorreich zurückzukehren. Das ist ein typischer Wiener Komplex. Ich finde, man muss die Arbeit aus dem Wiener Bauch heraus machen, dann wird die Sache spannend, für die, die sie von außen betrachten.

Einfach Spitze: Entwurf für das Ballett der Wiener Staatsoper
Einfach Spitze:
Entwurf für das Ballett
der Wiener Staatsoper, Foto: Wolfgang Pohn

Das Allerwelts-Heilmittel ist es nicht, die Stadt zu verlassen, um mit großer Karriere zurückzukehren. Da muss schon die Substanz, das Inhaltliche auch stimmen, dass etwas weitergeht. Und die notwendige Beharrlichkeit, die liegt mir schon irgendwie in den Genen – dass mich da irgendwas packt an der Stadt, mich fasziniert und weiterträgt und weiter forschen lässt an den Dingen.“ Und weiter: „Wir versuchen, einen Kleidungsstil anzubieten, der die Wiener Dame, das Wiener Mädl auf den Plan ruft.“ Wiener Chic eben. So heißt auch das Buch, das kürzlich bei Lobmeyr vorgestellt wurde: „Wiener Chic. Susanne Bisovsky – Mode für eine große Stadt“. Mit unzähligen mitreißenden Fotos ihrer Arbeit der vergangenen 30 Jahre. Mit Textbeiträgen von absoluten Profis wie Suzy Menkes, Barbara Vinken, Elisabeth Längle oder Hubert Achleitner.

Der normalerweise überaus zurückhaltende Helmut Lang hat es sich nicht nehmen lassen, für das Buch das Vorwort zu schreiben. Schon allein deshalb muss man es lesen! Zwei Zitate daraus. Zu Beginn über seine Studentin: „Sie hatte eine Zerbrechlichkeit um sich, war aber bei Bedarf ziemlich stark und immer bereit, ihre Arbeit und ihren persönlichen Raum zu verteidigen. Sie war mit einer Vision bewaffnet, die in der alten österreichischen imperialen Tradition verwurzelt war, die sie umarmte, aber auch auf alle möglichen Arten beurteilen wollte, um ihrer Vorstellung von Transformation und Moderne zu dienen.“ Und am Ende: „30 Jahre später ist das Ergebnis eine Arbeit mit einer der einzigartigsten Visionen, die auf internationaler Ebene nur mit den besten verglichen werden kann. Innovativ. Provokativ. Wenn nötig mit Humor durchsetzt. Schön und ernsthaft in höchster Qualität gefertigt. Immer modern und weit genug von ihrer ursprünglichen Inspiration entfernt, ist ihre Arbeit unvergleichlich revolutionär und bahnbrechend auf ihrem Gebiet.“

Verkaufsraum als „Wiener Salon“
Verkaufsraum als
„Wiener Salon“, Foto: Wolfgang Pohn

Ihre Nähe zu Wiener Traditionsfirmen wie Lobmeyr, für die sie ein Glasserie entwarf, erklärt Bisofsky so: „Dadurch, dass ich keine echte Wienerin bin, bin ich ja eine euphorische Wienerin geworden. Ich sag ja, es gibt keinen echten Wiener. Die tollen Manufakturen in Wien sind ja durch die zugeschwemmten phantastischen Handwerkerinnen und Handwerker aus den Kronländern entstanden. Deshalb haben wir so einen guten Boden hier für Handwerk und für Design. Der Wiener ist ein Straßenköter, der sehr stabil geworden ist, weil er aus allen möglichen Richtungen gespeist wurde und die besten Dinge abbekommen hat. Davon kann man immer noch stark profitieren.“ Oder auch: „Wien ist eine alte Dame, die früh zu Bett geht und lange schläft.“

Neuinterpretation des Dirndls:
Ausstellungsplakat
Bad Ischl 2021, Foto: Wolfgang Pohn

Wie sehr Bisovskys Arbeit geschätzt wird, kommt bald (wieder) in drei Ausstellungen vor Besucheraugen. Eine, genannt „Dirndl. Tradition goes Fashion“, war mit wunderbaren Bisovsky-Modellen bereits im Marmorschlössl in Bad Ischl zu sehen. In etwas abgeänderter Form und unter dem Titel „Dirndl. Tracht. Identität“ kann man – neben Vivienne-Westwood-Dirndln und anderen Exemplaren – Bisovskys Prachtstücke vom 20. Mai bis Ende Oktober 2022 wieder im Marmorschlössl bewundern. Ganz neu hingegen ist eine von der Generaldirektorin des Museums für angewandte Kunst Lilli Hollein geplante Initiative im Geymüllerschlössl in Pötzleinsdorf, genannt (CON)TEMPORARY FASHION SHOWCASE. Auch dort soll Bisovskys Wiener Chic samt Buch eine wichtige Rolle spielen. Und in New York ist der Chef des Austrian Cultural Forum auf der 52nd Street, Michael Haider, dabei, diese wienerschicke Mode auch in Amerika dem interessierten Volk nahe zu bringen.

Zur Autorin: Brigitte R. Winkler ist Kunsthistorikerin und Modejournalistin aus Wien. Sie hat seit über 40 Jahren keine bedeutende Fashion Show verpasst.

Buchtipp:
WIENER CHIC
Susanne Bisovsky –
Mode für eine
große Stadt.
Verlag Anton Pustet,
304 S., € 45

 

 

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