Expressiv und poetisch zugleich: Im Atelier am Golf von Gaeta in seiner Wahlheimat Italien schuf der US-amerikanische Künstler Cy Twombly eine Reihe eindrucksvoller Gemälde. Eines davon gelangt nun im Mai im Dorotheum zur Auktion.
Die 1981 entstandene Papierarbeit „Ohne Titel (Formia)“ markiert eine neue Phase im Werk von Cy Twombly (1928–2011): In jenem Jahr mietete er ein Atelier in Formia am Golf von Gaeta zwischen Rom und Neapel an, das für ihn zu einem wichtigen Ort künstlerischer Inspiration werden sollte. Vier Jahre später erwarb der Künstler hier ein eigenes Haus, was die Bedeutung des Platzes für ihn und seine Arbeit noch bekräftigt. Von 1985, der Zeit, als er das Haus erwarb und zum Atelier ausbaute, bis zu seinem Tod im Jahr 2011 entstanden hier wichtige Arbeiten, darunter Gemälde wie „Venere sopra Gaeta“ (1988), der bei der 43. Biennale von Venedig gezeigte Werkzyklus „Cycle of Nine Green Paintings“ (1988), „Summer Madness“ (1990) und die „Quattro Stagioni Paintings“ (1993/94) sowie zahlreiche Skulpturen, etwa „Thermopylae“ (1991). Bei der Anlage des Gartens entwickelte Twombly ein eigenes Raumkonzept aus gepflanzten Zitronenbäumen.
Die Pinselführung in der 1981 entstandenen Arbeit „Ohne Titel (Formia)“ unterscheidet sich von den Chiffren und Kritzeleien früherer Werke. Die Lebendigkeit des Striches lässt den für Twomblys Arbeiten typischen dynamischen Rhythmus erkennen, der unablässige Bewegung suggeriert und hier auf die Unendlichkeit des wogenden Ozeans verweist. Um das Wesen des Meeres einzufangen, beschränkt sich der Künstler in seiner Farbpalette auf Blau- und wenige Schwarztöne, während die Stärke und Reichhaltigkeit des Farbauftrags die Bewegungen der stürmischen See widerspiegeln. Ein an ein Schiff erinnerndes Objekt erscheint im mittleren oberen Bereich der Bildkomposition. Die Bewegung des Bootes wird von einem diagonalen Pinselstrich betont, das Profil eines Segels stellt sich gegen die Fahrtrichtung. Das Bild fängt die ungezähmte Wildheit der rauen See ein, ihre Unberechenbarkeit und unendliche Weite. Twombly rückt die Meeresoberfläche in den Vordergrund, gleichzeitig gelingt es ihm, mit Schichten und neben- einander liegenden gestischen Strichen Tiefe zu erzeugen.
Eine zurückhaltende Komposition und ein Farbauftrag, der Bewegung suggeriert – „Ohne Titel (Formia)“ zeugt von dem auch für andere Arbeiten des Künstlers aus den frühen Achtzigerjahren typischen Stil. Die Kraft des Meeres offenbart sich so in diesem Werk in ihrer unermesslichen Lebendigkeit und Dynamik.
Flaminia Allvin ist Expertin für Moderne und Zeitgenössische Kunst im Dorotheum.
AUKTION
Zeitgenössische Kunst, 24. Mai 2023, 18 Uhr
Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien
20c.paintings@dorotheum.at
Tel. +43-1-515 60-358, 386