Kenneth Ize: Komet am Modehimmel

Wer kann schon behaupten, dass Supermodel Naomi Campbell aus freien Stücken seine Modekollektion promoted? Der in Nigeria geborene Österreicher Kenneth Ize legte einen kometenhaften internationalen Aufstieg vor. Nigerianisches Handwerk mischt er mit österreichischer Schnittkunst und moderden Silhouetten. Heuer entwirft der Designer zudem die Capsule Collection für Lagerfeld. Ein Porträt.

Fremde Heimat

Und wieder einmal beginnt alles in Linz. Aber der Reihe nach: Geboren wurde Kenneth Izedonmwen in Lagos in Nigeria. Als er fünf Jahre alt war, verließen seine Eltern mit ihm die Heimat und flüchteten. Nach Linz. „Ich war ein Zuhause-Kind“, beschreibt Kenneth Ize, so sein Künstlername, die ersten Jahre in Österreich. An der Wiener Angewandten startete er sein Modestudium bei Bernhard Willhelm. Ein Praktikumsjob beim nachhaltigen Modelabel Edun in New York – gegründet 2004 von U2-Sänger Bono und seiner Frau Ali Hewson und fokussiert auf afrikanisches Handwerk – brachte Kenneth die Erkenntnis, obwohl Afrikaner, zu wenig von der Tradition seines Heimatlandes zu wissen. „Nach dem Diplom bei Hussein Chalayan beschloss ich, nach Nigeria auf Recherche zu gehen“, beschreibt er die Anfänge seiner bald darauf explodierenden Karriere.

Aso Oke und Wiener Spitze

Charakteristische Stoffe, lässige Fransen: Naomi Campbell, Fan und prominente Unterstützerin von Kenneth Ize. © Foto: Shoji Fujii
Charakteristische Stoffe, lässige Fransen: Naomi Campbell, Fan und prominente Unterstützerin von Kenneth Ize. © Foto: Shoji Fujii

Seine erste Modekollektion begann er mit einer kleinen Gruppe von Weberinnen und Webern, die einen traditionellen Stoff herstellen. Genannt „Aso Oke“ (in der westafrikanischen Sprache der Yoruba bedeutet das „Oberstoff“), wird er zu besonderen Anlässen getragen. Geprägt ist Aso Oke durch wunderschöne Farben und unzählige Muster, die oft stark an Spitzengewebe erinnern. Dazu kam eine wichtige Erkenntnis: „Damit meine Leute mich verstanden und mir vertrauten, beschloss ich, meine erste große Show in Afrika, bei der Arise Fashion Week in Lagos, zu zeigen.“ Das war im April 2018. Und sie begann gleich mit einer tollen Überraschung: „Naomi Campbell hatte meine Arbeit bei früheren Präsentationen gesehen, ist in der Nacht davor zu mir gekommen und hat gesagt: ,Ich werde für dich laufen!‘“ Als Shootingstar Kenneth beschloss, seine neue Kollektion im Februar 2019 bei der Modewoche in Paris zu zeigen, setzte sich Naomi auf eigene Kosten ins nächste Flugzeug und kam ungefragt zum Fitting. Wunderbar, wie sich in der Kollektion nigerianisches Handwerk mit österreichischer Schnittkunst und modernen Silhouetten mischte! Aso-Oke-Stoffe etwa wurden in doppelreihige Herrenanzüge verwandelt. Zum Minirock gab es Jacken mit Trichterkrägen. Und aus Seide gesponnene Tischlerhosen wurden am Saum mit Fransen verschönt. Auch das lässige Kleid, das Naomi Campbell am Ende der Show trug, hatte Fransen. Kenneth: „Ich liebe es zu kombinieren, was nicht passt.“ Für seine Frühjahrs/Sommer-Kollektion 2020 kooperierte er mit Tanja Bradaric und Taro Ohmae und deren jungem Taschenlabel SAGAN Vienna. Wieder mischte sich afrikanisches mit europäischem Handwerk, Aso Oke mit Wiener Spitze. Durch Kenneths Arbeit für Edun war man bei Louis Vuitton auf ihn aufmerksam geworden. Nahezu ungefragt landete er auf der Liste der besten zehn Nachwuchsmodeschöpfer für den renommierten und – für den Bekanntheitsgrad in der Modewelt unüberbietbaren – LVMH Prize. Es gewann ein Kollege aus Südafrika, Thebe Magugu. Doch, so Finalist Kenneth: „80 Prozent der wichtigen Leute, die ich kenne, kenne ich durch den Prize.“ Zum Beispiel Lagerfeld Style Advisor Carine Roitfeld, die ihn für 2021 zu einer Capsule Collection für das Haus Lagerfeld einlud. „Meine Kollaboration ist ein Brief an Karl mit Bildern aus Afrika“, so Kenneth. „Ich habe versucht, Karls Ästhetik des Pariser Chics mit Elementen traditioneller afrikanischer Kunst zu kombinieren.“ Natürlich wird es auch ein Markenzeichen von Kenneth Ize geben: Aso-Oke-Stoffe mit dichten bunten Streifen.

Kunst und Mode

Kenneth Izes Frühjahr/Sommerkollektion 2021 vor Gemälden von Maty Biayenda. © Foto: Julian Poropatich
Kenneth Izes Frühjahr/Sommerkollektion 2021 vor Gemälden von Maty Biayenda. © Foto: Julian Poropatich

Wunderschön und typisch auch wieder seine aktuelle Frühjahrs/Sommer-Kollektion. Da es wegen Corona keine Live-Modeschauen gab, bat er den 22-jährigen Künstler Maty Biayenda aus Namibia, ein großes Wandbild zu malen, vor dem er seine gestreiften Unisex-Outfits (digital) zeigte. Auf Organza-Hemden waren gedruckte und gemalte Kunstwerke von Fadekemi Ogunsanya zu sehen. Die Herbstkollektion 2021 nannte Kenneth „The Circle of Birth and Death“. Statt auf fröhliche Farben setzte er diesmal auf gedämpfte Kombinationen aus Grau, Braun, Senfgelb, Grün und Schwarz. Als einer von sechs Finalisten für den Woolmark-Preis verwendete Kenneth Ize zum ersten Mal Merinowolle. Bereits mit seinem ersten selbst verdienten Geld kaufte er sich Land in Nigeria, ließ sich von einem Architektur-Kollegen von der Angewandten dafür ein Fabriksgebäude entwerfen. Und noch eine Investition freut ihn ganz besonders: „Vergangenes Jahr lud ich meine Mutter Florence, die in Linz lebt, ins Dorotheum zum Schmuckaussuchen ein. Wir telefonieren fast täglich miteinander. Aber es war das erste Mal, dass ich etwas für meine Mutter gekauft habe.“

Brigitte R. Winkler ist Kunsthistorikerin und Modejournalistin aus Wien. Sie hat seit über 40 Jahren keine internationale Modeschau verpasst.

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